Über den Umgang mit Menschen III: Autokratische Herrscher

Nachdem wir in den bisherigen Beiträgen dieser Rubrik Verhaltensregeln für Außenminister*innen und Superreiche vorgeschlagen haben, soll es in der heutigen dritten Folge um die Spezies der „Tyrannen, Despoten und andere Idioten“ gehen, um es mal so unterkomplex zu sagen, also um die mit Macht ausgestatteten, aber nicht unbedingt dafür talentierten Menschen, die, so darf zur Freude der Genderforschung schon mal knallhart festgestellt werden, durchweg männlichen Geschlechts waren und sind (Caesar, Nikolaus II., Adolf, Somoza, Fidel Castro, Lukaschenko, Kim Jong-un, und viele mehr).

Schauen wir uns ein paar lebende Exemplare dieser Spezies näher an:

Recep Tayyip Erdoǧan: Auch wenn man kein türkisch kann, weiß man immer, worüber der Mann gerade spricht: Den Schutz des türkischen Volkes vor einer freien Presse, vor der LGBTQ-Community und anderen Terrororganisationen. Erdoǧan ist hochsensibel und irgendwie ständig durch irgendwen beleidigt. Man munkelt, dass er ein eigenes Ministerium für die Verfolgung von Präsidentenbeleidigungen eingerichtet hat. Für Erdoǧan lautet unsere Benimm-Empfehlung: Hallo Rettschi, mach dich locker! Lach doch mal in die Kamera! Das stünde dir besser als diese bräsig-dumpf-empörte Beleidigtenvisage, die Du immer bei Pressekonferenzen raushängen lässt. Und lass doch beim nächsten Staatsbesuch weibliche Delegationsmitglieder nicht wieder am Katzentisch sitzen! (Hinweis für den türkischen Geheimdienst MIT: Macht euch keine Hoffnung, ich habe nicht die Absicht, demnächst in die Türkei zu reisen …)

Wladimir Wladimirowitsch Putin: Auch bei ihm fragen wir uns: Warum schaut er immer so griesgrämig, so missmutig, so schlechtgelaunt? Hat man ihn zu früh abgestillt? In der Schule gemobbt? Musste er beim KGB in Ostberlin mit RAF-Terroristen Halma spielen, um an Nachrichten aus dem Westen zu gelangen? Hat er den Ukrainekrieg einfach nur wegen schlechter Laune losgetreten? Dabei gilt schlechte Laune doch eigentlich als Zeichen für hohe Intelligenz. Ja, ehrlich! Das kann ich nicht nur an mir selber beobachten, sondern das hat ein amerikanisch-kanadisches Forscherteam herausgefunden.

Vielleicht ist Putin ja auch deshalb so traurig, weil er ständig von einer Gruppe von halbdementen, unter ihren Orden fast zusammenbrechenden Arschgesichtern umgeben ist und sein einziger wirklicher Freund Gerhard Schröder nur noch selten zum gemeinsamen Angeln kommt? Oder weil bei seinen Auftritten in der Öffentlichkeit komisch gekleidete Figuren große goldene Flügeltüren aufreißen und dabei extreme Verrenkungen machen?  

Unsere Empfehlung für Wladi, damit er mal auf andere Gedanken kommt, lautet: Hör Dir einfach mal meine Spotify-Liste der Antikriegssongs an: Brothers in Arms, Blowing in the Wind, Es ist an der Zeit, Universal Soldier, Sag mir wo die Blumen sind, Le Deserteur, Nein meine Söhne geb ich nicht. Und der Knaller von Udo Lindenberg: Wozu sind Kriege da? Herr Präsident, erklär uns das mal!  

Hebatullah Achundsada: Wer einen so schönen Namen hat, der kann eigentlich kein schlechter Mensch sein. Und doch verbannt der Obertaliban Hebatullah Achundsada die afghanischen Frauen aus Schulen und Universitäten und verdonnert sie zum Tragen einer Burka in der Öffentlichkeit. Lieber Achundsada – oder soll ich lieber sagen: lieber Heba: Lass doch die Mädels ihre Schönheit zeigen, so wie Allah sie geschaffen hat! Und wenn deine männlichen Zeitgenossen ihre Hormone nicht im Zaum halten können, versuch´s mal mit Pornofilmchen bei Kabinettsitzungen: Das wird bestimmt ein Riesengaudi! Im britischen Unterhaus gibt es auch Abgeordnete, die während der Sitzungen Pornos schauen. Also seid mal nicht so verklemmt, liebe Taliban!

Kim Jong-un: Für sein Babygesicht kann der Mann nichts. Aber für seine Frisur schon. Ein Foto von ihm wurde von einem Londoner Friseur zum „Tag der schlechten Frisur“ ausgestellt (kam in Nordkorea nicht so gut an), und eine US-amerikanische Satirezeitschrift kürte ihm zum „Sexiest man alive“. Ob das stimmt, sollen meine geneigten Leserinnen entscheiden. Fest steht jedenfalls, dass der nordkoreanische Suppenkasper gerne mit Raketen spielt und seinen unliebsamen Bruder vergiften ließ. Gegen Corona empfahl er unlängst Ingwertee und Gurgeln mit Salzwasser.

Was kann man dem Mann raten, um sein ramponiertes Image aufzubessern? Vor allem mal den Friseur wechseln. Und nicht so viele fettige Sachen essen. Die Raketen in der Spielkiste lassen und lieber mal die Wiedervereinigung mit Südkorea voranbringen – damit könnte er Punkte gutmachen!   

Es wäre nun allerdings unangemessen, alle Angehörige dieser Spezies über einen Kamm zu scheren. Sie sind auf unterschiedliche Weise an die Macht gekommen, entweder durch pseudodemokratische Wahlen, und/oder unter Zuhilfenahme von Korruption, Einschüchterung und Lügen, manche auch mit brachialer Gewalt. Christen haben die Hoffnung, dass es für diese Menschen eine eigene Abteilung in der Hölle gibt, wo sie dann untereinander klären müssen, wer der Bestimmer ist. Das stelle ich mir lustig vor.

Allen Despoten, Tyrannen, Diktatoren und Autokraten – es gibt derer noch viele – schreiben wir ein Zitat von C.G. Jung ins Gästebuch: „Die Identifikation mit Amt und Titel hat etwas Verführerisches, weshalb viele Männer nichts anderes sind, als ihre von der Gesellschaft ihnen zugebilligte Würde. Es wäre vergeblich, hinter dieser Schale eine Persönlichkeit zu suchen, man fände bloß ein erbärmliches Menschlein. Darum eben ist das Amt … so verführerisch, stellt es doch eine billige Kompensation für persönliche Unzulänglichkeiten dar“ (C.G. Jung, Gesammelte Werke VII).


Macht Blödsinn Sinn?

Darf man in diesen ernsten Zeiten über den Sinn von Blödsinn sinnieren? Man darf. Diese Glosse ist kürzlich erschienen in der aktuellen Ausgabe des „Jung Journal. Forum für Analytische Psychologie und Lebenskultur“ (Heft 47, April 2022, Jahrgang 25).

Mal abgesehen davon, dass es „hat“ heißen müsste – etwas hat Sinn oder es hat keinen –, aber hier soll es nicht um semantische Pedanterie gehen, sondern um die erkenntnistheoretische Frage: Wie viel Blödsinn verträgt die Wirklichkeit? Kann sinnfreier Blödsinn, also blödeln um des Blödelns willen, sinnstiftend sein?

Im Unterschied zum gepflegten Blödsinn, dessen Sinn sich phänomenologisch erst durch das recht gewählte Maß an intendierter Blödheit entfaltet, zeichnet sich der Unsinn dadurch aus, dass der Urheber oder die Urheberin desselben uns diesen als sinnhafte Wahrheit glauben machen will (Hinweis an alle Plagiatsjäger: Dieser letzte Satz ist original vom Autor dieses Textes, nicht von Heidegger oder Adorno). Entpuppt sich doch manches, was uns als Sinn (oder wahr) verkauft wird, am Ende als Unsinn, vulgo: Bullshit. Beispiele gefällig? „Die meisten unserer Importe kommen aus dem Ausland“ (George W. Bush). „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“ (Walter Ulbricht). „Der beste Präsident, den Gott je erschaffen hat“ (Donald Trump). „Das Problem der Tretminen lässt sich nur Schritt für Schritt lösen“ (Helmut Kohl).

Apropos Tretminen: Freunde des kultivierten Blödsinns und der gepflegten Beleidigung wissen ein Lied davon zu singen, wie schnell eine unbedacht gewählte Formulierung einen Shitstorm (die deutsche Übersetzung klingt irgendwie ordinärer) auslösen kann, mit anschließender verbaler Hinrichtung des Übeltäters. Ganz schnell passiert das bei Blödeleien über Minderheiten wie zum Beispiel N*, Z*, J*, Schw*, F*, B* usw.

Man soll zwar nicht dauernd wieder von Hitler anfangen – so eine verbreitete Meinung in der Nachkriegszeit –, aber wir machen jetzt mal eine Ausnahme: Hätte Hitler nicht Hitler, sondern Kräuter geheißen, dann hätte die Weltgeschichte vermutlich einen anderen Verlauf genommen. Mit „Heil Kräuter“ als Gruß kann man keine Volksmassen zum totalen Krieg mobilisieren. Das hat Karl Valentin richtig erkannt. Von ihm – nicht von Hitler – stammt auch der Spruch: „Nieder mit dem Verstand – es lebe der Blödsinn!“ Die akademische Variante dieser bahnbrechenden philosophischen Erkenntnis verdanken wir Paul Watzlawick.

Der hat unsere Sicht auf die Welt ziemlich auf den Kopf gestellt, indem er behauptete, das Gegenteil von schlecht sei nicht notwendigerweise gut, sondern könne noch schlechter sein. Von wegen alles wird gut. Ob Watzlawick auf diese Erkenntnis vor, während oder nach seiner Ausbildung am C. G.-Jung-Institut in Zürich gekommen ist? Wolfgang Pauli, Physiker und Freund von C. G. Jung, bekannt für seine genialen Gedanken als Wissenschaftler, für sein wildes Leben und seine krassen Sprüche, soll gesagt haben: „Das ist nicht nur nicht richtig, es ist nicht einmal richtig falsch.“ Dem sprachgewaltigen Karl Kraus wird der Spruch zugerechnet: „Es gibt Sachen, die sind so falsch, dass nicht einmal das Gegenteil richtig ist.“ Womit wir wieder bei der Interpretation der Wirklichkeit angelangt wären und dabei, wie sehr uns der Verstand in die Irre führen kann.

Watzlawick hat mit seiner „Anleitung zum Unglücklichsein“ gegen die Flut der unsäglichen „Simplify your life“-Lebensratgeber angeschrieben, die Selbstverwirklichung, Glück und Erfolg versprechen. Statt Selbstoptimierung zu versprechen, hat Watzlawick Tipps gegeben, wie man seinen Alltag noch unerträglicher gestalten kann. Warum das Sinn macht bzw. hat? „Vom Unsinn des Sinns oder vom Sinn des Unsinns“ – lautet der Titel einer kleinen Schrift, in der Watzlawick seinen „Radikalen Konstruktivismus“ begründet und an eindrücklichen Beispielen erklärt, warum es keine objektiv existierende Wirklichkeit gibt: Wir glauben, der Name, den wir den Dingen geben, sei identisch mit dem Ding. Der Schizophrene, so Watzlawick, isst die Speisekarte, weil darauf köstliche Speisen stehen, beschwert sich anschließend über den schlechten Geschmack und nimmt schließlich an, dass man ihn vergiften will. – Warum einem an dieser Stelle die Querdenkerszene einfällt? Alles radikale Konstruktivisten oder einfach nur ein bisschen durchgeknallt?

Lassen sich aus dem Gesagten Schlussfolgerungen für die therapeutische Praxis – von der der Autor dieser Zeilen wenig Ahnung hat – ziehen? Vielleicht diese: Was mein Patient oder meine Patientin mir da gerade erzählt, macht überhaupt keinen Sinn, und hat auch keinen. „Der wahre Sinn offenbart sich nur dann, wenn wir ihn nicht mehr suchen“ (Watzlawick). Bleibt am Ende also die karlvalentinsche Version von Kants Kritik der reinen Vernunft: „Nieder mit dem Verstand – es lebe der Blödsinn!“ Zumal der menschliche Verstand ja demnächst durch die Algorithmen der Künstlichen Intelligenz abgelöst wird, und uns der Blödsinn hoffentlich noch eine Weile als konkurrenzlose Spielwiese erhalten bleibt.