Leicht verderblich: Was Obst und Kleidung gemeinsam haben

Wenn es nach der Modebranche geht, dann sollten wir mindestens zweimal im Jahr unseren Kleiderschrank ausmisten und die neue Frühjahrs- oder Herbstkollektion kaufen. Würden wir diesem Konsumdiktat auch nur eingeschränkt folgen, dann würde das in einem Zeitraum von drei bis fünf Jahren zu einem kompletten Austausch unserer Garderobe führen – je nachdem, wie modebewusst und ausgabenfreudig mensch ist. Wer als Wohnungslose/r unter der Stadtbahnbrücke logiert, hat naturgemäß geringere Ansprüche an eine adrette Garderobe als der Versicherungsdirektor, die Nachrichtensprecherin, die/der Bankangestellte/r oder die Kosmetikerin. Bei vielen meiner Hemden, Pullover, Hosen ist die Mindesthaltbarkeit längst abgelaufen, aber ich trage sie immer noch gerne. Neulich habe ich einen dreißig Jahre alten Jogginganzug schweren Herzens in die Altkleidersammlung gegeben. Eigentlich war er noch brauchbar.

Bei Modeartikeln gibt es auch in normalen Zeiten eine Überproduktion – von zehn bis dreißig Prozent ist die Rede. Nicht verkaufte Ware wird entweder verramscht oder landet in der Müllverbrennungsanlage. Corona hat das Problem unverkaufter Kleidungsstücke nun drastisch verschärft. Wie die ZEIT (Nr. 8 vom 18.02.2021) berichtet, könnte mindestens eine halbe Milliarde Kleidungsstücke diesen Winter in Deutschland unverkauft bleiben. Für die stationären Modehändler ist das dramatisch. Viele werden die vorübergehende Schließung ihrer Läden nicht überleben. Die Hersteller, so berichtet die ZEIT, haben die Produktion aufgrund der aktuellen Situation deutlich gedrosselt, mit der Folge, dass hundertausende Textilarbeiterinnen in den Zulieferbetrieben in Bangladesch, Indien oder Pakistan arbeitslos werden.

Angesichts dieser Situation traut man sich kaum noch, die Frage zu stellen, ob es nicht ohnehin an der Zeit wäre, die Produktions- und Konsumbedingungen in der Textilindustrie grundsätzlich zu hinterfragen. Wer beim Kauf eines T-Shirts wissen will, unter welchen Bedingungen es produziert wurde und wieviel die Näherin in Bangladesch dafür bekommt, kann sich informieren. Das von Entwicklungsminister Müller angestrebte, kürzlich verabschiedete Lieferkettengesetz wurde von der Wirtschaft und von seinem Ministerkollegen Altmeier bis auf den letzten Blutstropfen blockiert und verwässert. Aber wir Verbraucher sollten nicht nur mit dem Finger auf die Wirtschaft und die Politik zeigen. Es ist wohlfeil, von Industrie und Handel nachhaltiges und ressourcenschonendes Wirtschaften einzufordern, wenn wir wenig getragene Kleidung aussortieren und im Altkleidercontainer entsorgen, damit wieder Platz im Kleiderschrank für den neuesten Modeschrei ist.


Die FIFA-Ethik und das Sommermärchen

Diese Meldung kam heute über die DTS Nachrichtenagentur: „Die Ethikkommission der FIFA hat entschieden, das Verfahren gegen Franz Beckenbauer, den Ex-DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und den früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt zum WM-Sommermärchen 2006 nicht weiter zu verfolgen. Das Verhalten der Akteure „kann aufgrund des Ablaufs der geltenden Verjährungsfrist für die Strafverfolgung gemäß Artikel 12 des FIFA-Ethikkodex (FCE) nicht strafrechtlich verfolgt werden“, teilte der Fußball-Weltverband am Donnerstagnachmittag mit. DFB-Präsident Firtz Keller hatte zuvor immer wieder um Aufklärung zu den Vorgängen rund um die WM-Vergabe aufgerufen.“

Armer „Firtz“ Keller: Jetzt hat dich die FIFA im Regen stehengelassen. Sollte es Dir doch noch gelingen, die Machenschaften der DFB-Akteure bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 aufzudecken, wird der FIFA-Ehrenkodex Dir wahrscheinlich den Titel „Nestbeschmutzer des Jahres“ verleihen. Dann komm halt nach Freiburg zurück, wir geben Dir Asyl, und Du darfst wieder Fritz heißen.  


Ein Gespenst geht um in Deutschland: Verbot von Einfamilienhäusern!

Die aktuelle Diskussion um den Bau von Einfamilienhäusern, ausgelöst durch eine Entscheidung in Hamburg-Nord, bei neuen Baugebieten keine Einfamilienhäuser mehr zuzulassen, zeigt vor allem eines: Es geht nicht um Sachargumente und Fakten, sondern um eine scheinheilige, Tatsachen verdrehende, ideologisch verbrämte Schlammschlacht aus rechten CDU-Kreisen gegen die „Verbotspolitik der Grünen“ und deren „grundsätzliche Abneigung gegenüber Eigentum“ – so der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrats Hamburg, Hennecke Lütgerath. Der CDU-Landesvorsitzende aus Thüringen, Christian Hirte schwadroniert von der „grünen Verbotspartei mit dem Einfamilienhaus als Feindbild“. Andere reden vom „Traum linker Ideologen“. CSU-Landesgruppenchef Dobrinth glaubt einen „ideologischen Kampf von links-grün gegen das Eigentum“ ausmachen zu können. Was der Verband der Haus- und Grundbesitzer dazu meint, wollen wir erst gar nicht wissen.

Leute, haltet einfach mal kurz die Luft an, wischt Euch den Schaum vor dem Mund ab, dimmt Euren Wutpegel runter und schaltet Euer Hirn ein!

Über das Privateigentum an Grund und Boden, die damit in Zusammenhang stehenden Profitinteressen und die Sozialbindung des Eigentums, wie sie das Grundgesetz versteht, wäre noch viel zu sagen. Das möchte ich Menschen überlassen, die davon mehr verstehen als ich. Man muss sich dazu auch nicht durch die 1100 Seiten des Marx´schen Opus „Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie“ (Dietz Verlag Berlin 1974) quälen. Hier ein paar Tatsachen, die selbst ich verstanden habe:

  • Boden ist ein knappes, nicht vermehrbares Gut. Einfamilienhäuser verbrauchen mehr Fläche als Mehrfamilienhäuser. Es ist also grundsätzlich vernünftig, flächenschonend zu bauen und mehr Wohnraum auf begrenzt verfügbarem Bauland zu schaffen. Das entspricht auch dem Bedarf und der Nachfrage insbesondere von Familien nach bezahlbaren Wohnungen.
  • Über den Wohnungsbau entscheiden die Kommunen vor Ort. Auch auf dem Land führt die Knappheit an Bauland zu verstärktem Bau von Mehrfamilienhäusern.
  • Eigentum verpflichtet (Art. 14 GG). Enteignungen sind nach dem Grundgesetz möglich. Spekulation mit Bauland ist nicht im Interesse des Gemeinwohls. Dem einen Riegel vorzuschieben ist sozialpolitisch geboten.

Also: Oma darf ihr klein Häuschen behalten. Die Debatte darüber, wie eine sozial orientierte Wohnungsbaupolitik aussehen soll, muss geführt werden, aber nicht ideologievergiftet, sondern mit Sachargumenten.


Der Computer brennt. Erinnerungen an die EDV-Steinzeit.

Wenn der PC, der Laptop oder das Smartphone wieder mal unverständliche Fehlermeldungen ausspucken und Sie, liebe/r User*innen nicht wissen, ob Sie gerade im Tabletmodus, Flugzeugmodus oder Deliriummodus sind, oder ob Ihnen gerade ein Windows Update den Homeoffice-Alltag zerhackt oder ob Ihnen vielleicht Netzwerkprobleme um die Ohren fliegen – einfach mal ein Nutellabrötchen schmieren und abwarten. In die Schreibtischkante beißen hilft eh nicht weiter. Über meinem PC-Arbeitsplatz hing lange Zeit eine Glosse, die vor genau 25 Jahren aus damals aktuellem Anlass geschrieben wurde (vor der Rechtschreibreform und gendergerechter Sprache!), und die ging so:

Mein EDV-Alltag. Aus dem Tagebuch eines Users.

Früher begann der Arbeitsalltag eines homo buerocraticus damit, daß er sich zunächst vom ordnungsgemäßen Zustand seines Arbeitsgerätes überzeugte: Bleistift gespitzt? Farbband in der (mechanischen!) Schreibmaschine noch brauchbar? Kohlepapier für Durchschläge ausreichend vorhanden? Das ist, wie die erwähnten Utensilien vermuten lassen, schon ganz schön lange her. Heute beginnt der Büroalltag mit dem „Einloggen“. EDV-erfahrene Leser und Leserinnen wissen, daß damit keine unzüchtige Handlung gemeint ist. Mitnichten. Mit „einloggen“ wird jener Zustand hergestellt, den meine Kollegin aus dem Markgräflerland als „der Computer brennt“ bezeichnet. Wer nun glaubt, daß, wenn der Computer brennt, sozusagen schon die schwierigsten Hürden des Tages gemeistert sind, der ist auf dem Holzweg. Der Einstieg in das digitale Büroleben geht selten ohne Umwege vonstatten, sondern ist begleitet von mysteriösen, parapsychologischen Phänomenen, die den Benutzer -pardon! – den User – in tiefe Bestürzung, Ratlosigkeit oder gar Verzweiflung zu versetzen vermögen.

Zum Beispiel gestern: Einloggen wie üblich. „You have mail!“ – das vermeldet mein PC-Bildschirm jeden Morgen als erstes. Und wie jeden Morgen weiß ich, daß es sich dabei um eine infame Lüge handelt, jedenfalls meistens. Wo ich doch so gerne Post bekomme. Ein unerklärlicher Programmfehler, sagen die Experten. Manche Tage bestehen aus einem einzigen unerklärlichen Programmfehler. So wie gestern. Kaum hatte ich mich durch die verschiedenen Menü-Punkte bis zu meinem Lieblingsprogramm, den Projektanwendungen, vorgearbeitet, da deuchte mir bereits weiteres Ungemach. Der Bildschirm präsentierte mir nämlich die folgende Fehlermeldung:

„Die Anwendung ist im Nachbearbeiten des Wertes, den sie selbst gesetzt hat, oder im Operator vom Typ DISPLAY gescheitert. Bitte die Anwendung auf diese Inkonsistenz überprüfen.“

Tja. Da helfen auch 13 Jahre Deutschunterricht einschließlich Kafka, Handke und schriftlicher Abiturprüfung nicht weiter. Da muß ein der Computersprache mächtiger Systembetreuer her. Der ist aber wie immer, wenn der Computer wirklich brennt, gerade unauffindbar, und ich bin bis auf weiteres zur Tatenlosigkeit verurteilt.

Früher war der schlimmste Büro-GAU ein verheddertes Farbband in der Schreibmaschine. Mit einer Mischung aus gesundem Menschenverstand, handwerklichem Geschick und einer entsprechend zurechtgebogenen Büroklammer konnte man das wieder in Ordnung bringen. Heute gibt es erstaunlicherweise immer noch Büroklammern, aber sie können nicht mehr zweckentfremdet werden, zum Beispiel, um eine Anwendung auf diese Inkonsistenz zu überprüfen. Eigentlich schade.

(Jürgen Lieser, März 1996)


Trump: Freispruch für das Unrecht

Mehr Evidenz, mehr klare Beweislage geht nicht: Ein Präsident, der gegen das eigene Volk handelt, der Steuern hinterzieht, unliebsame Parteigänger reihenweise feuert, die Justiz behindert, sich mit Bibel inszeniert, mit Putin und anderen Despoten den Schulterschluss sucht, den russischen Geheimdienst benutzt, um seine Konkurrentin bei den Präsidentschaftswahlen in Misskredit zu bringen, das jüngste Wahlergebnis leugnet, der ununterbrochen lügt und betrügt, Verschwörungsmythen propagiert, Corona verharmlost, gewaltbereite Neonazis lobt, zum Sturm auf das Kapital aufruft, Schweigegelder an Prostituierte zahlt– die Liste kann noch beliebig erweitert werden – wird im zweiten Impeachment-Verfahren von seinen republikanischen Speichelleckern und Arschkriechern, jedenfalls den meisten, im Senat als „nicht schuldig“ freigesprochen. So heute Abend geschehen: 57 gegen 43 Stimmen. Das reichte nicht für eine Verurteilung. Man möchte kotzen, und zwar im wagerechten Strahl.  


Endlich: Frisöre dürfen öffnen!

Heute mal wieder ein Beitrag in eigener Sache: Als jemand, der sich bisher weitgehend klaglos mit dem Corona-Lockdown abgefunden hat (Schlafschaf?), bekenne ich mich dazu, dass ich – wie wohl viele andere Betroffene – dem Öffnen der Frisörsalons in freudiger Erwartung entgegenfiebre! Leider erst am 1. März, also noch drei Wochen bis dahin.

Die Regierung hat es allerdings versäumt, eine Hotline und eine Rangfolge für die Buchung von Frisörterminen einzurichten. Es ist vermutlich leichter, vor dem Sommerferien einen Impftermin zu bekommen. Der Pressesprecher des Zentralverbands für körpernahe Dienstleistungen rät zu folgendem Vorgehen: 116117 wählen und statt eines Impftermins einen Frisörtermin verlangen. Ist ja egal, in welcher Warteschlange man gerade steckt …


Der tiefe Fall des Pater Weerenfried van Straaten: Schwere Vorwürfe gegen den „Speckpater“

Weerenfried van Straaten, der Pater aus Belgien, strammer Antikommunist und Gründer des Hilfswerks „Ostpriesterhilfe“, später umbenannt in „Kirche in Not“, wurde schon zu Lebzeiten in rechtskatholischen Kreisen wie ein Heiliger verehrt. Von deutscher Seite bemühte man sich um eine Seligsprechung des populären Paters, der auch unter dem Namen „Speckpater“ bekannt ist. Seit seinem Tod 2003 wurde jedes Jahr im Kölner Dom ein Gedenkgottesdienst zu seinen Ehren zelebriert, eine von Kardinal Meisner eingeführte Tradition. Doch nun wurde die für dieses Jahr geplante Zeremonie plötzlich abgesagt, angeblich wegen Corona. Der wahre Grund: Es gibt schwere Vorwürfe gegen den Pater. Darüber berichtet die ZEIT-Beilage „Christ & Welt“ in ihrer Ausgabe vom 11.02.2021 unter der Überschrift „Gut und Böse“.

Foto: Christ & Welt

Wie die Autoren schreiben, sind die Vorwürfe im Vatikan seit längerem bekannt, wurden aber unter Verschluss gehalten. 2010 habe Weihbischof Grothe nach einer Visitation beim Hilfswerk Kirche in Not in einem Brief an Kardinal Mauro Piacenza im Vatikan über seine Erkenntnisse zu Pater van Straaten folgendes geschrieben: »Es handelt sich um einen Versuch der sexuellen Vergewaltigung, um Maßlosigkeiten in der Lebensführung, um erhebliche Defizite in der Personalführung sowie um Anfälligkeiten für faschistoide Ideen.« In seiner Antwort hat der Kardinal aus Rom den deutschen Weihbischof um Vertraulichkeit und Geheimhaltung gebeten. Man wusste also in Rom Bescheid über die Verfehlungen des Paters.

Das Hilfswerk hat die Vorwürfe im Großen und Ganzen eingeräumt. Zu dem Artikel in „Christ & Welt“ wird ausführlich Stellung genommen: Erklärung des Internationalen Hilfswerkes Aid to the Church in Need (ACN) zum Artikel „Gut und Böse“ in der ZEIT-Beilage „Christ&Welt“ am 10.02.2021


Bayern-Funktionäre schwer verärgert

Ja, wo samma do? Sollen nun etwa Gesetze und Verordnungen auch für die Kicker von Bayern München gelten? Wo die doch einzig daran interessiert sind, „als deutscher Verein für unser Land“ anzutreten.

Was war passiert? Am Samstag wollten die Bayern vom neuen Berliner Flughafen BER zur Klub-Weltmeisterschaft nach Doha fliegen. Für den BER gilt ab Mitternacht ein fünfstündiges Flugverbot. Die Maschine der Bayern wollte kurz nach Mitternacht starten, bekam aber wegen des Flugverbots keine Starterlaubnis.

„Skandal ohne Ende, Unverschämtheit der Verantwortlichen, Chaos, Schildbürgerstreich“ – empörten sich darob die Bayern-Funktionäre Uli Hoeneß (war da nicht mal was wegen Steuerbetrug?) und Karl-Heinz (Kalle) Rummenigge (vorbestraft wegen Zollvergehen).

Lieber Uli, lieber Kalle, hier ein paar Fragen für Euch zum Ankreuzen:

Welchen Sinn könnte ein nächtliches Flugverbot in einer Millionenstadt haben?

  1. Willkürliche Schikane der Behörden gegen Fußballmillionäre (= Neid)
  2. Fliegen ist sowieso Scheiße (CO2 und so)
  3. Lärmschutz für geplagte Hauptstadtbewohner*innen (Innen, _innen?)

Welchen Sinn hat die FIFA-Klubmeisterschaft in Doha?

  1. Der deutschen Kultur (= Fußball) weltweite Beachtung verschaffen
  2. Keinen
  3. Noch mehr Kohle für die FIFA und ihre korrupten Funktionäre

Warum gelten für die Fußball-Bundesliga die allgemeinen Corona-Einschränkungen nicht?

  1. Weil die Kicker von Bayern München keine normalen Menschen sind (siehe Beckenbauer = Lichtgestalt!)
  2. Wegen dem Geld (des Geldes?)
  3. Weil schlecht frisierte Fußballer keine Vorbilder für unsere Jugend sind

Für den Fall, dass Ihr alle drei Fragen richtig beantwortet habt, verspreche ich Euch, keine weiteren abfälligen Kommentare über Bayern München und die FIFA auf diesem Blog zu veröffentlichen.