Russische Kriegsdienstverweigerer und Deserteure in Deutschland nicht willkommen

Das russische Außenministerium will 400.000 Freiwillige für den Krieg gegen die Ukraine rekrutieren. „Echte Männer“, so heißt es in der Werbung, sollen sich bewerben. Gleichzeitig wirbt die Söldnergruppe Wagner auch um die gleiche Zielgruppe der Männer im „kriegsfähigen“ Alter. Das britische Verteidigungsministerium schreibt dazu, dass die russischen Behörden alles versuchen, um eine neue Zwangsmobilisierung hinauszuzögern.

Werbeplakat der russischen Armee zur Rekrutierung in St. Petersburg im Oktober 2022Olga Maltseva/AFP via Getty Images

Wie viele Männer sich dem freiwilligen oder unfreiwilligen Kriegsdienst verweigern, ist nicht bekannt. Aber: Russische Männer, die sich nicht am völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Unkraine beteiligen wollen, also Kriegsdienstverweigerer, Militärdienstentzieher und Deserteure, die in Deutschland Asyl suchen, werden vom Bundesamt für Migration (BAfM) abgelehnt. Trotz gegenteiliger Beteuerungen nahezu aller im Bundestag vertretenen politischen Parteien (außer AfD), dass man diesen Menschen Schutz und Asyl bieten muss, wehren die deutschen Behörden Asyl- und Visumsanträge ab. Das berichtet jetzt die Organisation Connection e.V. Weitere Infos dazu gibt es hier.

„Die deutsche Bundesregierung steht hier in der Pflicht“, so Rudi Friedrich von Connection e.V.  „Wer Hoffnungen sät, muss auch den notwendigen Schutz gewährleisten. Militärdienstentzieher, Deserteure und Kriegsdienstverweigerer brauchen einen Weg, um in die Europäische Union kommen zu können und sie brauchen Asyl!“

Weitere Informationen: Gemeinsam mit PRO ASYL hatte Connection e.V. vor wenigen Wochen eine ausführliche Analyse zur Situation von Kriegsdienstverweigerern, Militärdienstentziehern und Deserteuren aus Russland, Belarus und der Ukraine sowie zur Frage des Flüchtlingsschutzes vorgelegt.


Entwarnung: Keine Insekten in Backwaren

Mein Bäcker, bei dem ich fast täglich Backwaren einkaufe, überraschte heute seine Kundschaft mit der Versicherung, dass er keine Insekten in seinen Produkten beimischt. Wegen erhöhter Nachfrage. Hä? Nach Insekten, oder wie soll man das verstehen? Und wer fragt da eigentlich nach? War etwa der Söder Markus da?

Der hat nämlich unlängst in seiner gewohnt sachlich fundierten Art gewettert: „Die Grünen diskutieren dann noch, ob man nicht lieber Insekten wie die Hausgrille oder den Getreideschimmel-Käfer essen soll“, und fügte hinzu: „Mir ist ein Schweinsbraten jedenfalls zehnmal lieber als ein Insektenburger.“ Der Anlass für sein prolliges Gepolter auf Bierzeltniveau: Das von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) geplante Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel. Sollten die bayrischen Wählerinnen und Wähler, bei denen Söder jetzt mit seinem saudummen Geschwätz auf Stimmenfang geht, wirklich so blöd sein?

Meinem Bäcker werde ich jedenfalls ans Herz legen, seinen Produkten keinen Schweinsbraten beizumischen.


Gehen in Deutschland jetzt die Lichter aus? Schon eher das Hirn mancher Politiker

Gestern wurde den drei letzten Atomkraftwerken in Deutschland der Stecker gezogen. „Wenn das passiert, dann gehen die Lichter aus“ – so fabulieren AfD, FDP, CDU/CSU und mein Nachbar. Das kommt einem irgendwie bekannt vor. 1975 sprach Ministerpräsident und Hitlers Marinerichter Hans Filbinger („Was damals rechtens war, das kann heute nicht Unrecht sein“): „Wenn das AKW Wyhl nicht gebaut wird, gehen in Baden-Württemberg die Lichter aus“. Was damals Quatsch war, kann heute nur noch quätscher sein (frei nach Herbert Wehner). 1963, auch daran darf hier erinnert werden, sangen Gitte und Rex Guildo: „Gehn sie aus vom Stadtpark die Laternen …“. Das fanden sie romantisch und gar nicht beängstigend. Markus Söder aber tritt mit seinem Stellvertreter Hubert Aiwanger („ich bin eher nicht so übertrieben romantisch“) vor die Kameras und verkündigt, dass der Atomausstieg Sünde sei. Damit verlagert er geschickt die Debatte um die Atomenergie in den Bereich der Metaphysik. Was das wiederum ist, hat uns Martin Heidegger 1929 bei seiner Antrittsvorlesung an der Uni Freiburg erklärt. Von Atomenergie war da noch keine Rede. Aber wir schweifen ab. Es ist wohl kein Zufall, dass ein Vorgänger von Markus Söder, nämlich Franz-Josef Strauß, der erste Atomminister in Deutschland war.

„Kann denn Atomausstieg Sünde sein“ oder so ähnlich hat schon Zarah Leander vor vielen Jahren gesungen. Und selbst wenn: Söder als aufrechter Katholik sollte wissen, dass es die Beichte gibt, mit der die Sünden getilgt werden. Heute hören wir, dass Söder nicht nur eine Laufzeitverlängerung will, sondern die bayerischen AKW in Landesverantwortung weiterbetreiben will! Das wäre doch ein willkommener Anlass, das Land Bayern in die Unabhängigkeit zu entlassen und ihm den Anschluss an Österreich nahezulegen! Darüber würde sich auch der SC Freiburg freuen, der neulich gezeigt hat, wie man die Bayern hinauskickt.

PS: Apropos Laufzeitverlängerung: Ich bin beim Thema Verlängungen grundsätzlich misstrauisch. Ständig bietet man mir im Internet eine Verlängerung an. Nicht für Atomkraftwerke, aber für einen Teil meiner selbst. Auch in diesem Falle kann ich den Nutzen einer solchen Maßnahme nicht erkennen.


Osterspazierfahrt. Frei nach J.W. Goethe

Wann war das Frühlingswetter zuletzt so verlockend wie an den diesjährigen Osterfeiertagen? Mich hat es nicht nur zu einer längeren Radtour animiert, sondern auch zu einer Abwandlung von Goethes Gedicht „Osterspaziergang“ aus dem Faust I. Der alte Herr möge mir das holprige Versmaß verzeihen (seines rumpelt ja auch ganz gewaltig).

Vom Roste befreit sind Speichen und Ketten

Dank Caramba! Rostentfernen leicht gemacht.

Am Fahrrad, aus dem Winterschlaf erwacht

Muss nur die Schaltung man(n) noch fetten.

Hat er auch an die Luft gedacht?

Die Pumpe, ach, so sehr auch alle suchen,

Zu finden nicht im Keller noch im ganzen Haus.

Die Kinder nölen, wollen nicht zur grünen Flur hinaus.

Die Eltern sind genervt und fluchen.

Da ist das blöde Teil! Wie kommt es denn ins Gartenhaus?

Nun kann´s endlich hinaus ins Freie.

Auf des Rades Wegen quetschender Enge herrscht wüstes Gewimmel.

Kampfradler bahnen sich Platz mit aggressivem Geklingel.

Da schau! Ein Rudel radelnder Senioren

Gerüstet mit Sportdress und E-Bike-starken Motoren

Können mit Müh´ nur die Spur und das Gleichgewicht halten.

Schon naht Ihr Euch wieder, schwankende Gestalten!

Jeder sonnt sich heute so gern.

Sie feiern die Auferstehung des Herrn,

Denn sie sind selber auferstanden

Von des Sofas magnetstarker Haftung.

Tatsächlich sähe man jetzt lieber fern.

Egal. Wir stürzen uns jetzt ins Getümmel.

Hier ist des Volkes wahrer Himmel.

Zufrieden jauchzet gross und klein:

Hier bin ich Radfahrer*in, hier darf ich´s sein!


FDP: Neues von der Bremserpartei

Bremsen muss nicht immer schlecht sein. Etwa, wenn man auf einen steilen Abgrund zurast. So wie James Dean und seine Kumpels in „Denn sie wissen nicht, was sie tun“. Das war jetzt eine Metapher, ratet mal, wofür? Fängt mit K an, es folgt ein l, dann ein i usw. (James Dean raste übrigens im Alter von 24 Jahren mit seinem Porsche in den Tod).

Die FDP weiß aber, was sie tut. Sie bremst nämlich alles aus, was den Klimaschutz voranbringen könnte. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Dr. Christoph Hoffmann sieht beim Klimaschutz einen „Hang zur Hysterie“ und brüstete sich jetzt in einer lokalen Zeitung damit, im Koalitionsausschuss habe die FDP „die Realitiätsbremse reingehauen“. „Unsere Rolle als FDP ist es, Stoppschilder aufzustellen“ so Hoffmann. Dabei hat er sicher nicht an ein Tempolimit auf Autobahnen gedacht, eher bei der Kindergrundsicherung und so `nem Gedöns. Und wenn der Oberschuldenbremser Christian Lindner mit seinem Porsche (keine Ahnung, der wievielte, den ersten hat er mit 19 gekauft, von selbstverdientem und versteuertem Geld!) um die Ecke gebraust kommt, wird die FDP doch wohl kein Stoppschild aufstellen wollen? Hallo Herr Hoffmann: Si tacuisses, philosophus mansisses.

Es wäre alles halb so schlimm, wenn er sich darauf beschränken würde, auf seinem Instagram-Account Herzchen zu lokalen Fußballereignissen zu posten:

Diese Freude teilt er mit dem Trainer des SC Freiburg, Christian Streich …


Können wir Krieg? fragt die ARD. Echt jetzt?

Die ARD startete am Montag dieser Woche im besten Abendprogramm mit einer Doku über die Bundeswehr unter der Überschrift „Können wir Krieg“? Natürlich durfte da wieder die unsägliche FDP-Tante Marie-Agnes Strack-Zimmermann ihren Senf zu dem Thema abgeben. (Warum sagt eigentlich niemand im Vorspann, dass diese Dame auch wichtige Aufsichtsratsposten bei Rüstungsbetrieben hat? Egal.)

Damit war auch das Thema für die anschließende Talkshow „Hart aber fair“ gesetzt. Dort durfte zunächst ein im Kosovo und Afghanistan-Einsatz bewährter Bundeswehrveteran (Rüdiger Hesse) die Frage, ob die Bundeswehr Krieg kann, mit „Ja!!!!“ beantworten und die Bundeswehr als „geilen Arbeitgeber“ anpreisen. Der vierschrötige Mann, Gründer des Vereins „Combat Veteran e.V.“ (Motto: „Von Veteranen für Veteranen“) durfte über seinen Afghanistan-Einsatz erzählen: „Wir gehen da nicht auf Kindergeburtstag“ – ach so. Dass die Soldaten dort für einen fragwürdigen und am Ende gescheiterten Einsatz verheizt wurden – das hätte man in diesem Zusammenhang gerne erfahren. Ich selbst war mehrmals in Afghanistan, nicht im militärischen Einsatz, aber ich hätte erzählen können, was aus Sicht von humanitären Hilfsorganisationen dort nicht gut gelaufen ist, zum Beispiel die von der Bundesregierung gewünschte „zivil-militärische Zusammenarbeit“ mit der Bundeswehr.

In der anschließenden Talk-Runde berichtete eine Ukrainerin (Mariya Maksymtsiv) über ihren Bruder an der Front, mit dem sie im ständigen Kontakt steht. Außer ihr in der Runde: Ein Kriegsreporter der Bildzeitung (Paul Ronzheimer, der hatte natürlich den Bonus, dass keiner außer ihm selbst wirklich im Kriegsgebiet war), ein Bundestagsabgeordneter (Michael Roth, SPD, sich selbst bemitleidend, weil man ihn als „Kriegstreiber“ verunglimfe), eine Journalistin (Ulrike Winkelmann, Chefredakteurin der taz) und der Journalist, Buchautor und Friedensaktivist Franz Alt. Auf die Frage des Moderators: Können wir, kann die Bundeswehr Krieg? war die trockene Antwort von Alt, der wohl als Alibi-Pazifist eingeladen war: „Das Deutschland Krieg kann, hat die Welt auf furchtbare Weise im letzten Jahrhundert zweimal erlebt. Daraus wurde nach 1945 der Grundgesetzauftrag: nie wieder Krieg von deutschem Boden aus! Deshalb ist mir nicht ganz wohl bei der Frage, ob Deutschland Krieg können muss. Wichtiger wäre, dass wir Frieden können.“ Alt ist Mitunterzeichner eines von Peter Brandt initiierten Friedensappells und wurde dafür in der Talkrunde vom wutschäumenden Michael Roth scharf attackiert, weil der Appell den russischen Angriffskrieg nicht deutlich genug verurteile. Offenbar muss heute jeder, bevor er oder sie die Wörter „Verhandlungen“, „Frieden“ oder „Waffenstillstand“ in den Mund nimmt, hundertmal schreiben „Ich verurteile den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine“. Der ukrainische Ex-Botschafter und jetzige Vizeaußenminister Andrij Melnyk dazu auf twitter: „Hallo Peter Brandt & Co., schert euch zum Teufel mit eurer senilen Idee, einen “schnellen Waffenstillstand” zu erreichen und “den Frieden nur mir Russland zu schaffen”. Die Ukrainer lehnen diesen Firlefanz ab. Punkt. Schönen Samstag noch“. Hat er sich da etwa am donaldtrumpschen Sprachniveau orientiert? Der aktuelle ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev bezeichnete den Friedensappell als „puren Zynismus gegenüber den zahlreichen Opfern der russischen Aggression“. Vielleicht sollte man den Ukrainern außer Waffen auch etwas Hirn für bestimmte Politiker liefern?

Zurück zur ARD: Mich jedenfalls hat die Fragestellung „Können wir Krieg?“ irritiert. Die Frage müsste doch, wie Franz Alt richtig anmerkte, eher lauten: Können wir Frieden? Die Forderung nach „Frieden schaffen. Waffenstillstand und Gemeinsame Sicherheit jetzt!“ – so die Überschrift des von Peter Brandt initiierten Appells – ist eben keine „politische Romantik“ (Politikwissenschaftler Herfried Münkler), sondern ein Gebot der Vernunft. „Entscheidend ist es, die Eskalation des Krieges zu stoppen und einen Waffenstillstand zu erreichen“ und dafür ermutigt der Appell „den Bundeskanzler, zusammen mit Frankreich insbesondere Brasilien, China, Indien und Indonesien für eine Vermittlung zu gewinnen, um schnell einen Waffenstillstand zu erreichen. Das wäre ein notwendiger Schritt, um das Töten zu beenden und Friedensmöglichkeiten auszuloten“.

Ob es dafür eine realistische Perspektive gibt – Münkler bestreitet das -, wissen die Autoren des Appells nicht. Auch nicht, wie Waffenstillstand und Verhandlungen konkret erreicht werden könnten. Trotzdem muss man Menschen, deren Äußerungen von großer Sorge vor einer militärischen Eskalation geprägt sind, nicht so niederschreien. So klein die Erfolgsaussichten auch sein mögen – jeder Versuch, die Kriegshandlungen zu beenden, ist es wert.