Schutz für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer

„Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin“

– dieser umstrittene Spruch aus der Friedensbewegung geht von der falschen Annahme aus, als könnten Menschen, die zum Kriegsdienst herangezogen werden, frei darüber entscheiden, ob sie in den Krieg ziehen wollen oder nicht. Und dass sich das mit dem Krieg von selbst erledigen würde, wenn keiner hinginge. Ganz so einfach ist es leider nicht. Es gibt in vielen Ländern ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Kriegsdienstverweigerung, so auch in Russland und in der Ukraine, aber unter einschränkenden Bedingungen. Details dazu kann man in einem Hintergrundartikel von Pro Asyl nachlesen: Kriegsdienstverweigerung und Desertion: Belarus, Russische Föderation und Ukraine.

Schutz für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer gefordert

Kriegsdienstverweigerung, lange Zeit als Spielwiese idealistischer Pazifisten belächelt, bekommt angesichts des Ukrainekrieges eine neue Bedeutung. Die Organisation „Connection e.V.“, die sich aktiv für ein umfassendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung einsetzt, schätzt, dass etwa 100.000 militärdienstpflichtige russische Männer und etwa ebenso viele Ukrainer in den letzten sechs Monaten sich einer möglichen Rekrutierung entzogen haben.

Auch in Belarus gibt es Verweigerer und Deserteure. Die Ukraine hat das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt und die Grenze für Männer zwischen 18 und 60 Jahren geschlossen. Derzeit haben ukrainische Staatsbürger einen befristeten Aufenthalt in der Europäischen Union.

Mit einer Petition fordert Connection e.V. zusammen mit anderen Organisationen die Europäische Union auf, Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern aus Russland, Belarus und Ukraine Schutz zu gewähren. Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, hatte russische Soldaten zur Desertion aufgerufen und ihnen Schutz nach dem Flüchtlingsrecht versprochen. Dieses Versprechen wurde bis heute nicht eingelöst.

Die Petition, die auf der Website WeMove.eu gestartet wurde, kann hier unterzeichnet werden.

Und die Bundesregierung?

Die Bundesregierung hat erklärt, dass „bei glaubhaft gemachter Desertion eines russischen Asylantragstellenden derzeit in der Regel von drohender Verfolgungshandlung für den Fall der Rückkehr in die Russische Föderation ausgegangen“ werde. Damit könnten sie als Flüchtling anerkannt werden, sofern sie ihre Desertion nachweisen können. In einer Mitteilung des Innenministeriums wird jedoch ausdrücklich weiter ausgeführt, dass es nur um Deserteure geht und „Wehrdienstflüchtlinge von den Ausführungen nicht umfasst“ sind. Hallo Frau Faeser: Das ist nicht so wirklich plausibel, oder?

Anekdotisches aus den 60iger Jahren: Wenn im Wald der Russe kommt

Persönliche Anmerkung: Ich habe 1969 den Kriegsdienst verweigert. Anders als heute für die russischen, belarussischen und ukrainischen Männer war das damals für mich mit keinerlei Risiko verbunden. Ich musste mich vor einem Prüfungsausschuss einer „Gewissensprüfung“ unterziehen. Der Prüfungsausschuss, das war ein dreiköpfiges Gremium, Männer natürlich, die darauf aus waren, junge Menschen wie mich einzuschüchtern und ihre Argumentation ins Wanken zu bringen. In meinem Falle gelang die Einschüchterung nicht ganz, ein Mitglied der Kommission schlief während der Anhörung, die beiden anderen löcherten mich mit Fragen, auf die ich aufgrund der gründlichen Vorbereitung auf den Anhörungstermin Antworten parat hatte. Eine der üblichen „Fang“-Fragen, mit der der jeweilige Kandidat in Widersprüche verwickelt werden sollte, lautete: Mit Ihrer pazifistischen Einstellung kommen Sie doch nicht überall durch. Wenn Sie mit Ihrer Freundin im Wald spazieren gehen, um es kommen russische (!) Soldaten, die Ihre Freundin vergewaltigen wollen, würden Sie da nicht gewaltsam Widerstand leisten? Ich weiß nicht mehr, welche Antwort ich dafür parat hatte. Es hätten sich angeboten: A: Ich habe keine Freundin. B: In meinem Wald gibt es keine russischen Soldaten. C: Dann nehme ich meine Kalaschnikow, die ich bei solchen Gelegenheiten immer bei mir trage, und tattatattatatta…. Ich wurde in der ersten Instanz als KDV anerkannt. Dann war es wohl doch nicht die Antwort C.


Man stirbt nur einmal. Abschied von der Queen

Wow! Was für eine spektakuläre, ja gigantische Beerdigung! Die ganze Welt schaute zu, als heute das British Empire und die königliche Familie Abschied von Queen Elizabeth nahmen. 2.000 illustre Gäste waren geladen, die Mächtigen der Welt, der europäische Hochadel, quasi alles, was Rang und Namen und in dem einen oder anderen Fall auch Blut an den Händen hat (Putin, Kim Jong-un und die Taliban haben keine Einladung gekriegt – ich auch nicht, dabei hätte ich gerne Bolsonaro mal die Meinung gegeigt, wenn ich in der Kirche neben ihm gesessen hätte).

Aber lassen wir mal die Weltpolitik an diesem geschichtsträchtigen Moment mal beiseite. Die Pietät gebietet es, am Tag der kollektiven Trauer keine blöden Witze über die britische Monarchie zu reißen oder gar auf die Gräueltaten der britischen Kolonialmacht im Laufe ihrer Geschichte zu verweisen. Die ganze Beerdigung ein Rausch für die Sinne. Feierliche Musik während der Trauerfeier in der Westminster Abbey, dann die Prozession mit dem Sarg: Alles sehr würdevoll, sehr ernst, sehr straff choreografiert, begleitet von Marschmusik und einer Heerschar (keine Metapher!) von Militärs im Gleichschritt und in lustigen bunten Uniformen, man hätte sich in einer prächtig ausstaffierten Wagneroper wähnen können. Das Video dazu gibt es sicher morgen für 19,95 € bei Aldi. Nicht ganz so billig wird die Chose für die britischen Steuerzahler: Ein paar Milliarden Pfund, so heißt, wird die Beerdigung schon kosten. Auch hier wieder: Bitte keine kleinkarierte, antimonarchistisch motivierte Erbsenzählerei. Die Queen stirbt schließlich nur einmal.

Eine ganz profane Frage bleibt noch unbeantwortet: Während der ganzen Zeremonie, die von ca. 10:30 bis 17:30 Uhr dauert, haben die Mitglieder der königlichen Familie keine Möglichkeit, eine Toilette aufzusuchen. Das dürfte für König Charles III (mit dem mich das gemeinsame Geburtsjahr 1948 verbindet) eine erste große Drucksituation im neuen Amt erzeugt haben.


O´zapft is -Das Oktoberfest ist wieder da!

Endlich wieder deutsche Kultur vom Allerfeinsten: Das 187. Münchner Oktoberfest wird morgen eröffnet. Vergessen sind Corona, Inflation, Krieg und Klimakatastrophe. Wie in früheren Jahren werden Millionen Besucher und Besucherinnen aus dem In- und Ausland erwartet, viele in Dirndl und Lederhose. Sie kommen auf die Wiesn zum größten Volksfest der Welt.  Beim letzten Oktoberfest 2019 tranken 6,3 Millionen Menschen 7,3 Millionen Maßkrüge Bier. Ja, richtig, überteuertes Bier saufen aus riesigen Einliterkrügen, darum geht es im Grunde (wieso zahlen die Leute 13 Euro für diese Plörre?). Außerdem werden irre Mengen Weißwurst, Schweinshaxen, Brathändl und Ochsen verspeist. Das Zeug muss ja irgendwie weg.

Aber wir wollen mal nicht wieder die Spaßbremse reinhauen und so defästistisch über unser ach so beliebtes größtes Volksfest der Welt herziehen. Schließlich gibt es auch „Action und Spaß für Groß und Klein mit neuen Fahrgeschäften und Zelten“ – so die offizielle Website zur Wiesn. Außerdem setzt die Wiesn „in Sachen Umwelt Maßstäbe: Ökostrom, Abfallreduzierung und Wasser-Recycling gehören zum größten Volksfest der Welt genauso wie Bier, Volksmusik und Weißwurst“ (https://www.dw.com/de/m%C3%BCnchner-oktoberfest-neues-und-bew%C3%A4hrtes/g-62975067). Ein Öko-toberfest also. Und sogar an die Indigenen in Kolumbien wird gedacht: „Paulaner-Wirtin Arabella Schörghuber …betreibt ihr Festzelt in diesem Jahr klimaneutral: Sie hat die C02-Emissionen des Zeltes inklusive aller Speisen und Getränke berechnen lassen – und kompensiert sie durch Zahlungen an ein Umweltschutzprojekt in Kolumbien. Dort geht es um den Schutz von einer Million Hektar Regenwald und den Lebensraum von 16.000 Indigenen“. Da wollen wir mal drüber hinwegsehen, dass für den Anbau der Futtermittel, mit denen die Ochsen, Schweine und Hähnchen gemästet werden, mal wieder ziemlich viel Regenwald abgeholzt werden musste. 

Egal. Nicht so viel drüber nachdenken und oans, zwoa, gsuffa! Das Corona-Virus freut sich doch auch schon auf das Fest.


Denne wos guet geit: Wann werden die Reichen endlich zur Kasse gebeten?

In meinem letzten Beitrag ging´s ums Umverteilen. Zwar nur im Kleinen, aber immerhin. Heute hauen wir mal richtig in die Sahne und knöpfen uns Deutschlands Superreiche vor (alle zitierten Quellen am Ende des Beitrags). Oder, um es etwas sozialverträglicher zu formulieren: Sollten Menschen mit großen Vermögen ihren Reichtum teilen und damit etwas zur Armutsbekämpfung beitragen? Die „Sozialpflichtigkeit des Eigentums“ ist ja schließlich schon in unserem Grundgesetz Art. 14, Abs. 2 formuliert. Die Frage beschäftigt die Menschheit schon seit der Antike. Ich möchte mich in diesem Beitrag auf zweifache Weise damit auseinandersetzen – kompliziert und einfach.

Die einfache Version hat der Schweizer Liedermacher Manni Matter so besungen:

Aber klar, die Sache ist etwas komplexer. Deshalb hier die zweite Variante, wie man sich dem Thema nähern kann.

Vorweg eine Frage

Hallo Herr Kühne: Was machen Sie mit Ihrem Vermögen von jetzt 34,2 Mrd. Euro? Stimmt es, dass es 2020 noch 13 Mrd. Euro waren – dann hätten Sie ja in nur zwei Jahren Ihr Vermögen fast verdreifacht (1)? Sicher werden Sie bald Dieter Schwarz (Lidl), der mit 43,2 Mrd. Euro noch der reichste Deutsche ist, überholen. Und was ist mit Ihnen, Frau Klatten (BMW): Was machen Sie mit Ihren 22,3 Mrd. Euro? Vielleicht sind es aber auch nur 21,9 Mrd. (2)? Kriegen Sie die zu Lebzeiten noch auf den Kopf gehauen? So viel können Sie ja nun auch nicht für die „Pflege der politischen Landschaft“ spenden, oder? Wir kommen noch darauf zurück.

Die fetten Jahre sind vorbei

Ein Gespenst geht um in Europa: Die Angst vor dem Wohlstandsverlust. Das hat bei Menschen, die arm sind oder an der Armutsgrenze leben und die demnächst ihre Strom- oder Gasrechnung nicht mehr bezahlen können, ein anderes Gewicht als bei der „breiten Mitte unserer Gesellschaft“ (FDP-Jargon), die vielleicht nur noch zweimal im Jahr Urlaub machen kann, das neue iPhone14 nicht in die (Schulanfänger-) Tüte kommt und der Pool im Garten nicht mehr beheizt werden darf. In Deutschland gelten 16 Prozent der Menschen als arm oder armutsgefährdet (= Jahreseinkommen bis 14.000 €), bei Kinder liegt die Quote um die 20 Prozent. Fünf Millionen Menschen beziehen Leistungen nach SGB II (449 € im Monat). Wer mit so wenig über die Runden kommen muss, darf zu recht Angst vor dem Winter mit steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen haben. Das gilt noch viel mehr für die Menschen im globalen Süden, deren Armut sich durch die steigenden Nahrungsmittelpreise und die Verknappung dramatisch verschärft. In den riesigen Flüchtlingslagern Kenias Kakuma und Dadaab, in denen jeweils 200.000 Menschen leben, müssen die UN-Organisationen aus Geldmangel und wegen gestiegener Nahrungsmittelpreise die Lebensmittelrationen um die Hälfte kürzen (3).

Seien wir ehrlich: Für die meisten von uns wäre eine Einschränkung des gewohnten Lebensstandards verkraftbar, wenn nicht sogar ein Gewinn an Lebensqualität, vom Schutz des Klimas und der Umwelt ganz zu schweigen. (siehe dazu mein Beitrag: Warum verzichten kein Verzicht sein muss).

Die Grenzen des Wachstums: War da nicht was?

Nun wissen wir seit mindestens 50 Jahren, dass eine auf immer weiteres Wachstum ausgerichtete Wirtschaftsform unsere Umwelt zerstört und keine nachhaltige und global gerechte Zukunftsgestaltung ermöglicht. „Anders leben damit andere überleben“ war 1976 das Motto der Misereor-Fastenaktion – kann man eigentlich auch heute, 46 Jahre später, nur unterstreichen. Dazu wäre freilich eine radikale Änderung unserer Lebensweise und Wirtschaftsform nötig. Bemühungen um nachhaltiges und ressourcenschonendes Wirtschaften und eine gerechtere Gestaltung der globalen Wirtschaftsbeziehungen bleiben Stückwerk. Es könnte aber sein, dass die Entwicklung nicht mehr auf die Einsicht der Weltgemeinschaft wartet, sondern wir brutal mit der Realität konfrontiert werden, nämlich dass „das Erfolgsmodell der wachstumsorientierten Globalisierung, wie wir sie kennen, … an ihr Ende gekommen“ ist, wie es Wolfgang Kessler feststellt. Er fordert, „Krisengewinner stärker zu besteuern, um Krisenverlierer zu entlasten“, und er verlangt Mut von der Politik, „die Macht der Mächtigen und das Vermögen der Vermögenden einzuschränken, um die Schwächeren zu stärken“ (4). Der neue Bericht vom Club of Rome kommt zu der gleichen Erkenntnis: „Wir werden die Welt nicht retten, wenn nicht die reichsten zehn Prozent die Rechnung bezahlen.“ sagt Jorgen Randers, einer der Autoren der Studie (5).

Liebe Superreiche: Wir müssen reden

Das führt uns zurück auf die anfangs erwähnte Susanne Klatten, eine der Erbinnen der Quandt-Dynastie. Zur Erinnerung: Mehr als 50.000 Zwangsarbeiter arbeiteten im Dritten Reich in den Werken des Günther Quandt und bildeten damit die Grundlage für den exorbitanten Reichtum der Quandts und ihrer Erben. Das zu großen Teilen unrechtmäßig erworbene Vermögen durften die Quandts nach dem Krieg behalten. Dagegen waren sie bei der Entschädigung der Zwangsarbeiter recht knausrig: „Nach langwierigen internationalen Verhandlungen wurde am 12. August 2000 durch ein Bundesgesetz die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) gegründet. Deutsche Unternehmen beteiligten sich mit rund fünf Milliarden DM an dem 10-Milliarden-DM-Fonds zur Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter und anderer NS-Opfer sowie zur Einrichtung eines speziellen Fonds „Erinnerung und Zukunft“. Nach Feststellung der „Rechtssicherheit“ durch den Bundestag am 30. Mai 2001 konnten die Auszahlungen beginnen. Zwischen 2001 und 2007 erhielten die Überlebenden eine einmalige Zahlung zwischen 500 und 7.700 Euro. (6)“ 

Und was ist mit den Oetker-Erben? Ähnlich wie der Puddingpapst Oetker, der Kriegsgewinnler Flick und andere Großindustrielle wurden sie unter den Nazis reich, indem sie großzügig an die NSDAP spendeten und sich auf diese Weise staatliche Großaufträge sicherten. „Im Fall der Oetkers, deren Reichtum heute auf zehn Milliarden Euro geschätzt wird, „passte kein Blatt Papier“ zwischen den Unternehmensgründer und das NS-Regime, wie der Historiker Andreas Wirsching schreibt“. Das Erfolgsrezept: Mit großzügigen Spenden an die NSDAP sicherte sich der Konzern Aufträge des Staates (7).“

Die Flicks – sowohl Friedrich Karl aus auch sein Vater Friedrich weigerten sich, eine Entschädigung an die Zwangsarbeiter des Flick-Konzerns im Zweiten Weltkrieg zu leisten. Stattdessen wurden ihm beim Verkauf seines Daimler-Benz-Aktionspakets an die Deutsche Bank die Steuern für den erzielten Gewinn erlassen. Mit umfangreichen Parteispenden hatte Flick „die Bonner Landschaft gepflegt“.

Auf weitere Beispiele von exorbitantem Reichtum will ich hier verzichten. Nicht alle Reichen haben ihr Vermögen aufgrund von Zwangsarbeit, Steuerhinterziehung und Korruption vermehrt. In der Regel sind es Unternehmer wie Klaus-Michael Kühne (Logistik), Dieter Schwarz (Lidl), der Schraubenkönig Reinhold Würth oder neuerdings Biontech-Chef Ugur Sahin, die durch eine erfolgreiche Unternehmenspolitik reich geworden sind.

Aber die Reichen tun doch auch viel Gutes

Das sagen meine Freundinnen und Freunde, wenn ich mal wieder die Umverteilungskeule auspacke: Sie schaffen Arbeitsplätze, sie fördern regionale Projekte, sie spenden an gemeinnützige Organisationen, sie investieren ihr Geld in umweltfreundliche Unternehmen, usw. Ob die Motive für solches Handeln eher altruistischer oder egoistischer Natur sind, sei mal dahingestellt: Wenn das im Ergebnis dazu führt, dass etwas mehr Gerechtigkeit hergestellt wird, gut so. Es löst allerdings nicht die strukturellen Ursachen gesellschaftlicher und weltweiter Ungleichheit. Und es bleibt eine moralische Frage, wenn der wegen Steuerhinterziehung verurteilte Schraubenkönig Würth seine Luxusjacht „Vibrant Curiousity“ just zu einer Zeit kauft, wo er seine 5000 Beschäftigten in Kurzarbeit schickt und ihnen das Gehalt kürzt.

Sollte man also, so wäre am Ende zu fragen, darauf warten, bis die Reichen freiwillig etwas von ihrem Vermögen für soziale Zwecke abgeben, oder sie endlich zur Kasse bitten – zu deutsch: Teile ihres Vermögens beschlagnahmen, um damit die zu unterstützen, die auf Hilfen dringend angewiesen sind?


Quellen

(1) https://www.stern.de/wirtschaft/forbes-liste-2022–das-sind-die-30-reichsten-deutschen-31775842.html

(2) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/162320/umfrage/die-reichsten-deutschen/

(3) Bettina Rühl: Kollateraler Hunger. Wie der Krieg in der Ukraine das Leben Hunderttausender Menschen in Kenias Flüchtlingslagern zusätzlich erschwert; in: Publik Forum Nr. 17, September 2022, S. 20 ff.

(4) Wolfgang Kessler: Globalisierung gerechter gestalten. In: Publik-Forum Nr. 16/2022, S. 13

(5) Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten. Oekom Verlag 2022

(6) https://www.bpb.de/themen/nationalsozialismus-zweiter-weltkrieg/ns-zwangsarbeit/227273/der-lange-weg-zur-entschaedigung/

(7) ttps://www.kontextwochenzeitung.de/wirtschaft/583/deutschlands-gefaehrlichste-clans-8217.html


Umverteilen jetzt! Für eine solidarische Gesellschaft

Die Ampelkoalition hat heute eine neues Entlastungspaket geschnürt. Da ist viel Gutes drin, aber auch viel FDP. Neu ist, dass auch Rentnerinnen und Rentner zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 300 Euro erhalten. Alle, also ich auch. Das ist echt megalieb von Dir, Regierung, aber ich brauche diese Unterstützung nicht wirklich. Ich komme mit meiner Rente auch so über die Runden. Die höheren Kosten für Energie kann ich verkraften. Es gibt jede Menge Rentner, und erst recht Rentnerinnen, die viel weniger haben als ich. Aber auch die, die mehr haben, kriegen die 300 Euro. Kann man das nicht besser verteilen? Zum Beispiel 600 Euro an die, die 1.200 Euro Rente haben und weniger?

Was mache ich mit 300 Euro? Für die neue Brille reicht es nicht. Und für einen neuen Tesla schon mal gar nicht. Gut, die Energiekosten. Wir sparen jetzt bewusst beim Strom, beim Wasser und fahren noch weniger Auto. Eigentlich sollte man Anreize zum Sparen geben und nicht zum Geldausgeben. Die Pauschale soll zum 1. Dezember ausgezahlt werden – soll da vielleicht auch der weihnachtliche Kaufrausch angeheizt werden?

Ich habe eine Idee. Wenn schon die Regierung das Geld nicht bedarfsgerechter verteilen kann, dann machen wir das einfach selber. Wenigstens im Kleinen und im überschaubaren Rahmen. Do-it-yourself-Sozialpolitik quasi. Und das geht so: Ich tue meine 300 Euro auf ein Treuhandkonto (Details siehe unten). Ich lade alle ein, die wie ich der Meinung sind, dass dieses Regierungsgeschenk besser Menschen zugutekommen sollte, die es dringender brauchen, Gleiches zu tun und ihre Pauschale ebenfalls auf das angegebene Konto zu überweisen. Jede/r Einzahler/in hat anschließend das Recht, Vorschläge zu machen, welche Person(en) oder welcher Haushalt aus dem Konto einen Zuschuss erhalten soll und in welcher Höhe.

Schaut Euch um in Eurer Nachbarschaft, im Freundeskreis, bei den Alleinerziehenden, unter den Brücken, vor den Supermärkten, in den Flüchtlingsunterkünften: Es dürfte nicht schwer sein, Menschen zu finden, die eine Geldspritze gut gebrauchen könnten! Und fragt Menschen in Eurem Umfeld, die wie ich Rentner/innen sind und die ihre Pauschale gerne für einen guten Zweck einsetzen wollen. Wenn Ihr die Aktion „Umverteilen jetzt! Für eine solidarische Gesellschaft!“ unterstützen wollt, hier die Bankverbindung (es handelt sich um ein Treuhandkonto, das ich seit vielen Jahren für unterschiedliche Zwecke benutze):

Ligabank Regensburg, Kontoinhaber: Jürgen Lieser THK, IBAN DE30 7509 0300 0007 1062 89

Das Ganze basiert natürlich auf Vertrauen. Ich sichere zu, dass alle Kontobewegungen transparent und nachvollziehbar dargestellt werden. Ich werden regelmäßig auf diesem Blog und an alle, die sich an der Aktion beteiligen, Bericht erstatten und über die Verwendung der Mittel Rechenschaft ablegen. Spendenquittungen kann ich leider nicht ausstellen.

Ich freue mich auf Eure Reaktionen. 


Volker, hör die Signale. Verkehrsminister Wissing hat noch viel zu tun

„Nie gab es mehr zu tun …“

– mit diesem trivialen Ausspruch stellt sich Verkehrsminister Volker Wissing auf seiner Homepage vor. Die zweite Hälfte des Satzes hat er unterschlagen: „… lassen wir es liegen.“ Nachdem die CSU zwölf Jahre lang die Verkehrswende blockiert hat, bzw. mit den Fehlbesetzungen Ramsauer, Dobrinth, Schmidt und Scheuer eine tiefe Schneise des verkehrspolitischen Kahlschlags hinterlassen hat, haben wir jetzt mit Volker Wissing von der FDP einen würdigen Nachfolger in diesem Amt, das man wohl besser in „Verkehrtministerium“ umtaufen sollte. Der Expertenrat für Klimafragen (EKR) hat gerade feststellt, dass die von Wissing geplanten Maßnahmen zum Klimaschutz die Klimaziele der Bundesregierung weit verfehlen.

Herr Wissing, paar Vorschläge gefällig?

Aber nehmen wir ihn mal beim Wort. Tatsächlich gäbe es viel zu tun. Es gibt eine lange Liste einleuchtender, sinnvoller und einfach umzusetzender Maßnahmen. Die Gegenargumente der FDP sind so bekannt wie dumm. Hier ein paar Beispiele:

Tempo 130 auf Autobahnen?

Die Gründe dafür (ich persönlich wäre übrigens für Tempo 100): Spart Energie, reduziert den CO2-Ausstoß, erhöht die Sicherheit, kostet fast nichts, produziert weniger Staus. Die FDP meint: Ist gegen den gesunden Menschenverstand (Andreas Scheuer), Einschränkung der persönlichen Freiheit (FDP-Dogma), es gibt dafür nicht genug Schilder (Volker Wissing).

Streichung des Dienstwagenprivilegs

Das steuerliche Dienstwagenprivileg, das lt. Christian Lindner gar nicht existiert und „linkes Framing“ ist, kostet den Staat 3,1 Mrd. Euro. Mit dieser umweltschädlichen Subvention entlastet der Staat Besserverdienende (FDP-Klientel!), die mit PS-starken Karossen zur Arbeit fahren. Hallo Volker: Bitte streichen und mit dem Geld ein günstiges Nahverkehrsticket finanzieren!

Tankrabatt

Als Entlastung für Berufspendler und Gewerbetreibende (Taxis!) gedacht, profitieren davon auch die, die das gar nicht brauchen: Haushalte mit mittleren und höheren Einkommen mit großen und oft mehreren Fahrzeugen. Das ist nicht nur teuer (6,6 Mrd. Euro), sondern auch sozial ungerecht und ökologisch kontraproduktiv, weil das Autofahren subventioniert wird. Hallo Volker, das war zwar die Schnapsidee Deines Parteigenossen Christian Lindner, ist aber trotzdem unsinnig!

E-Auto-Prämie

Bis zu 9000 Euro kriegt man (noch) für den Kauf eines E-Autos. Ob damit die gewünschte Lenkungswirkung – Umstieg vom Verbrenner auf ein umweltfreundliches (?) Elektroauto – erzielt wird, ist zumindest umstritten. Wenn mein alter Benziner eh ausgedient hat, nehme ich die staatliche Prämie gerne mit. Vor Jahren gab´s schon mal sowas Ähnliches mit der Abwrackprämie. Das hilft der Automobilindustrie (FDP-Klientel?), ist aber klimapolitisch unsinnig. Wie lange und wie oft könnte eine 4-köpfige Familie ÖPNV-Angebote mit 9.000 Euro nutzen? Denk mal drüber nach, Volker.

ÖPNV und Bahn attraktiver machen

Womit wir beim ÖPNV wären. Lindner und Wissing wollen die Erfolgsgeschichte des 9-Euro-Tickets – 52 Millionen Mal verkauft – nicht fortsetzen. Kein Geld. Hä? Echt jetzt? Klar, es reicht nicht, den Umstieg auf den ÖPNV finanziell attraktiver zu machen, es muss auch viel passieren im Ausbau der Infrastruktur bei Bus und Bahn. Zugegeben, das ist richtig viel Arbeit. Aber dafür bist Du schließlich gewählt!

Bliebe noch der Radverkehr

Vom Radverkehr haben wir jetzt noch gar nicht geredet – oder ist das gar nicht Dein Ressort? Wieso kriege ich eigentlich keine Prämie, wenn ich mir ein E-Bike kaufe? Und warum steckst Du nicht mehr Geld in den Ausbau der Radwege??

Just do it

Ein Tipp, Volker: Du könntest Robert Habeck als beliebtesten Politiker ablösen (obwohl, bei den Frauen hättest Du es gegen den Robert echt schwer) , wenn Du Dir meine Vorschläge zu Herzen nimmst und anfängst zu arbeiten. Also Volker: just do it!!!