Richtigstellung zur mutmaßlichen Beleidigung von Dieter Nuhr

Wer meinen Beitrag vom 26. Dezember „Nur bei Nuhr im Ersten: Penis eingefroren“ meint dahingehend interpretieren zu müssen, ich hätte Nuhr als Austrittsöffnung des Darmkanals (Anus) bezeichnet – um nicht die ordinäre Version dieser umgangssprachlichen Form der Beleidigung zu wählen, der oder die hat mich gründlich missverstanden. Eine derart koprogene Wortwahl würde auch gar nicht zu dem von mir bevorzugten elaborierten Code (lautsprachlich leicht zu verwechseln mit Kot) passen.

Die Kunst der gepflegten Beleidigung, im Gegensatz zur derben, dereinst durch Joschka Fischer im Bundestag salonfähig gemacht („Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch“, am18. Oktober 1984 an den Bundestagsvizepräsidenten Richard Stücklen gerichtet), besteht eben gerade nicht darin, die zu beleidigende Persönlichkeit auf einen einzigen Körperteil zu reduzieren.

Phallus impudicus

Im Falle von Dieter Nuhr wäre übrigens, wenn schon Körperteil, ob seiner offensichtlichen Vorliebe für eingefrorene Penise, der Phallus statt des Anus die richtige Wahl gewesen. Genauer: Der Phallus impudicus, auch bekannt als Gemeiner Stinkmorchel.


Nur bei Nuhr im Ersten: Penis eingefroren

Jetzt ist die Zeit der Jahresrückblicke. Das Jahr 2023 bietet dafür reichlich Stoff – leider wenig Erfreuliches, kaum Hoffnungsvolles. Stattdessen Kriege, extreme Gewaltexzesse, Naturkatastrophen. „Ob das nächste Jahr besser wird, ist ungewiss“ – schreibt Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der ZEIT in der jüngsten Ausgabe, denn „in Wirklichkeit droht uns 2024 politisch ein annus horribilis – mit Rekordgewinnen für die AfD und andere politische Bewegungen“. Für Nicht-Lateiner: Annus ist nichts Unanständiges. Anus, rein medizinisch betrachtet, auch nicht. Damit wäre der Übergang zu Dieter Nuhr hergestellt, der sich selbst als Komiker bezeichnet – manche nennen ihn auch einen Kabarettisten. Dieter Nuhr über Dieter Nuhr: „Dieter Nuhr ist einer der bekanntesten Satiriker Deutschlands, hat eine eigene Sendung in der ARD, füllt riesige Hallen mit seinen Bühnenshows, und seine Analysen der Gegenwart in den Medien bewegen die Menschen und die öffentliche Meinung.“

Am 22. Dezember durfte Nuhr seinen schon traditionellen Jahresrückblick, seine Analyse (mit Betonung auf anal) der Gegenwart in der ARD präsentieren. Ich habe nach wenigen Minuten, an der Stelle mit dem eingefrorenen Penis, angewidert abgeschaltet. Ein Freund meinte am nächsten Tag voller Begeisterung: Habt Ihr Dieter Nuhr gesehen? Super! Was hätte ich ihm sagen können, um meine Abneigung gegen Nuhr im Allgemeinen und seinen Jahresrückblick im Besonderen zu begründen? Also habe ich mir später die ganze Sendung in der Mediathek angeschaut, unter Schmerzen. Zum Setting: Die vollbesetzte Halle, wo die Sendung aufgezeichnet wurde, johlte bei jedem noch so billigen Gag und besonders laut bei platten populistischen Statements wie: „Es lohnt sich kaum noch, zu arbeiten; manche gehen noch arbeiten, weil sie glauben, mehr zu verdienen als die, die nicht arbeiten; Deutschland ist im Sinkflug und stürzt schneller ab als Prigoschin; Deutschland hat den Entwicklungsstand von Ruanda noch nicht erreicht; Robert Habek steht im Keller und will die Heizung rausreißen“,  usw.

Kommt einem irgendwie bekannt vor, oder? War es Söder, Merz, das Leitkultur-Linnemännchen oder gar Björn Höcke? Jedenfalls bedient Nuhr die Plattitüden, Ressentiments und Stammtischweisheiten aus dem Zettelkasten konservativer und rechter Politikerkreise. Das kommt gut an, das Volk im Saal tobt, je platter und gleichzeitig falscher das rausgehauene Klischee ist. Richtig schlimm wird es, wenn Nuhr den Medien bescheinigt, beim Klimawandel zu eskalieren und sich über alarmierende Meldungen zum Klimawandel lustig macht, wenn er den UN-Generalsekretär António Guterres als Antisemiten diffamiert, Luisa Neubauer als ausgebildete Apokalyptikerin, von queeren Aktivisten labert und sich über Ricarda Lang und Kevin Kühnert lustig macht und Franziska Brandner beleidigt. Gut, der Satiriker, der Kabarettist darf das, er muss es sogar, und er darf zuspitzen. Nur macht Nuhr (dieses blöde Wortspiel sei mir verziehen) in Wirklichkeit kein Kabarett, sondern eine Art Politpredikt oder CSU-Parteitagsrede nach dem Motto: Jetzt hauen wir mal richtig feste auf die Grünen, die SPD, die Letzte Generation, die Feministinnen und wer oder was sich sonst noch alles für populistische Applausheischerei anbietet. Manchmal lacht er über seine eigenen Witze, die gar nicht so witzig sind, gelegentlich auch unter der Gürtellinie. Zum Beispiel die Sache mit dem eingefrorenen Penis: Das sei einem Skilangläufer im hohen Norden passiert, „für den kam die Erderwärmung zu spät“ (hahaha …). Und der habe dann vermutlich mit drei Stöcken das Rennen gewonnen (Brüller!). Der eingefrorene Penis kommt im Nuhr´schen Jahresrückblick noch zweimal vor, er scheint sich – Achtung Kalauer – daran entlangzuhangeln.

Nicht alles ist falsch, was Nuhr an gesellschaftlichen Missständen und Widersprüchen auf die Schippe nimmt. Und er grenzt sich – Respekt! – knallhart gegen die AfD ab. Damit ist die Abgrenzung nach rechts aber auch schon abgearbeitet. SPD, Linke und Grüne? Alle unfähig, blöd, infantil. Deren Schwächen und Fehler darf der Satiriker gerne genüsslich ausschlachten, und das tut Dieter Nuhr ausführlich und ziemlich unwitzig.  Erstaunlich aber ist, dass in der ganzen Show – immerhin 60 Minuten lang – kein einziges Mal die CDU/CSU und deren durchaus kabarettistisch verwertbaren Repräsentanten vorkommen. Und auch kein Wort über die FDP – die ist doch an der Regierung beteiligt? Und darf bei einem Jahresrückblick ein Hubert Aiwanger fehlen? Der hätte doch zumindest einen Ehrenplatz verdient gehabt? Fehlanzeige. Stattdessen dreimal ein gefrorener Penis.  


Weihnachtseinkäufe: Es bleiben nur noch wenige Tage!

Der Einzelhandel ist nicht zufrieden, wie es bisher mit dem Weihnachtsgeschäft so läuft. Die Leute kaufen weniger als erwartet. Dabei hatte man gehofft, dass die vielen schlechten Nachrichten dieser Tage die Kauflaune der Menschen anheizen. Wer zu viel Doomscrolling betreibt – so nennt man das Durchblättern von Kriegs-, Krisen- und Katastrophenmeldungen in den sozialen Medien -, der kriegt schlechte Laune. Dagegen hilft Shopping, denn das macht gute Laune. Statt Hinrichtungsvideos der Hamas also lieber die Glitzerprospekte der Kaufhäuser durchblättern, die uns all die schönen Dinge anpreisen, die wir unbedingt noch für ein besseres Leben brauchen. Zum Beispiel den neuesten Toaster im Retrolook mit Warmwasserbeleuchtung und KI-gesteuerter Auswurffederung. Man möchte ja auch nicht zu den Spaßverderbern gehören, die jedes Jahr schwören, sich nichts zu schenken.

Wie aber richtig schenken? Es ist wirklich nicht leicht, das passende Geschenk für die Frau/Geliebte/Oma/Schwiegermutter zu finden. Bei allem, was einem in den Sinn kommt, folgt die Erkenntnis: „Alles, alles hat´se schon.“ (so besungen von den Prinzen in „Was soll ich ihr schenken?“) Gut, die Schachtel Pralinen geht zur Not immer, auch die Flasche Wein für den Briefträger. Der war übrigens früher immer derselbe (nee, eben nicht dergleiche!). Jetzt kommt jeden Tag jemand anderes, auch Frauen sind dabei, man kann gar keine tragfähige Beziehung mehr aufbauen zu den Postbediensteten, was das Schenken auch nicht gerade einfacher macht.

Postboten, Müllmänner (gendern?) oder Zeitungsausträger/innen unterliegen allerdings nicht der allgemeinen weihnachtlichen Beschenkungspflicht. Bei Familienangehörigen ist das Beschenken dagegen moralisch zwingend geboten. Das meint jedenfalls der Einzelhandel. Der tut, was er kann, um unsere Kaufhemmung im Keller einzusperren und berieselt uns schon seit Wochen mit Vorschlägen für das perfekte Geschenk. Hier eine kleine Auswahl:

Pickel-Ausdrück-Simulator: Das Drücken des Pickelsimulators hilft, Zwangsstörungen zu behandeln, Stress abzubauen, Anspannungen abzubauen oder schlechte Laune loszuwerden.

Aufblasbarer Santa mit Rentierschlitten, Höhe 140 cm, 79 Euro bei Bauhaus (leider zur Zeit nicht lieferbar)

Für unsere Teenager, die auch beim Stuhlgang nicht ohne Smartphone sein können: 3-in-1-WC-Standgarnitur Bambus mit WC-Bürste, Toilettenpapierhalter und Smartphoneablage, 19,99 Euro bei „Gutes für Alle“

Und dazu passend die Klobürste für alle, die ihren Stuhlgang mit einem politischen Statement verbinden wollen: Die Donald Trump Klobürste für 19,99 Euro bei amazon …

Personalisierbare Salami Kabeltrommel, 24,99 bei Geschenke24.de

Für die Damen, wenn der große Gesäßmuskel (Musculus Gluteus Maximus) müde wird und der Hintern nicht mehr in die Hose passen will: Po Push Up Leggings für 29,99 Euro bei Lascana, zahlbar auch in drei Raten

Besonders originell als Beispiel für hirnlose Geschenke: Das Schokohirn für 12,95 Euro bei „Monsterzeug“

Für Männer, die das regelmäßige Wechseln von Unterhosen sowieso überflüssig finden (oder doch eher für Frauen?): Der zuckersüße Männerslip zum genüßlich Wegknabbern. Für 17,95 Euro bei Monsterzeug – Schenken macht glücklich

Gegen das gesundheitsgefährdende Massieren nur einer Gesichtshälfte: Kühlende Kosemetikkugel für die gleichzeitige Massage beider Gesichtshälften (14,99 Euro im ALDI onlineshop)

Zeige deine Liebe zu Burgern bis in die Zehenspitzen mit unseren coolen Burger Socken. 16,90 Euro bei „Geschenke.de“

Und hier mein persönlicher Favorit, auch zum Selberbasteln: Entertaste zum Frustabbau gegen die nervigen Updates von Windows, Google und Konsorten


„Gesichert rechtsextremistisch“: Es ist noch nicht zu Ende.

Nun wird also mit Sachsen auch der dritte Landesverband der AfD, nach Thüringen und Sachsen-Anhalt, vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Für diese Erkenntnis haben die Pappnasen vom Verfassungsschutz vier Jahre gebraucht. Und was folgt daraus? Die Umfragewerte der AfD steigen weiter, egal wie rechts. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass die AfD-Dumpfbacken mit ihrer menschenverachtenden Politik das Klima nicht nur im Bundestag, sondern in allen (!) Landesparlamenten verpesten können. Unlängst hat die AfD bei den Wahlen in Hessen (von 5,3 auf 18,4 %) und Bayern (von 4,4 auf 14,6 %) kräftig zugelegt. Und das ist noch längst nicht das Ende: Auf vergleichbare Zuwächse darf sie nach den aktuellen Umfrageprognosen bundesweit rechnen (siehe Tabelle, Quelle: www.dawum.de ). Höchst beunruhigend daran ist, dass gleichzeitig andere konservative Parteien wie CDU/CSU und Freie Wähler ebenfalls zulegen. 

Wenn jetzt Wahlen wären, würde die AfD in fünf Bundesländern zur stärksten Kraft (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) mit jeweils über 30 Prozent der Wählerstimmen. Im Bundestag droht die AfD zur zweitstärksten Partei nach der CDU zu werden. Apropos CDU: Die macht angesichts ihrer ebenfalls hohen  aktuellen Zustimmungswerte mächtig einen auf dicke Hose und überbietet sich mit der FDP in Forderungen nach dem Abbau von Sozialleistungen und der Verschärfung des Asylrechts.  Gleichzeitig erklären sie die Grünen zum politischen Hauptgegner und zur Gefahr für die Demokratie in Deutschland. Hallo Friedrich Merz, Carsten Linnemann und Thorsten Frei (der Mann, der sich offenbar jeden Morgen die Haare in der Fritteuse wäscht): Merkt ihr wirklich nicht, woher der Wind in dieser Republik weht?


Weltklimakonferenz in Dubai: Zivilgesellschaft fordert Kurskorrektur

Derzeit findet die 28. Weltklimakonferenz COP (Conference of the Parties) in Dubai / Vereinigte Arabische Emirate (VAE) statt. Man kann an diesen Konferenzen vieles kritisieren: Alle Beschlüsse müssen einstimmig gefasst werden, am Ende steht also immer ein Minimalkonsens. Zudem handelt es sich um Absichtserklärungen, bei Nichteinhaltung drohen keine Sanktionen. Der CO2-Fussabdruck der Konferenz selbst ist bei 70.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gewaltig. Die COP28 ist auch wegen des Gastlandes VAE umstritten: Ein Staat, der nicht gerade für seine demokratischen Freiheiten oder für ein klimafreundliches Wirtschaftsmodell bekannt ist. Ein Land, dessen exzessiver Reichtum auf dem Verkauf fossiler Energieträger wie Öl und Gas beruht. Die VAE haben mit 21,8 t pro Kopf (2021) einen der weltweit höchsten CO2-Emissionen. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 4,69 Tonnen pro Kopf. Und schließlich die „Bock-zum-Gärtner“-Kritik: Offizieller Gastgeber und Präsident der Konferenz ist Sultan Ahmed Al-Dschaber, der Chef des staatlichen Ölkonzerns Adnoc. Dazu Greenpeace-Chef Martin Kaiser: „Das ist so, als ob das Umweltbundesamt vom Chef von VW geleitet würde“. Statt des VW-Chefs wäre mir da eher Donald Trump eingefallen. Oder Volker Wissing. Aber egal. Wenn die Konferenz Vorschläge entwickeln soll, wie der Anteil fossiler Energieträger reduziert werden kann, dann ist nicht zu erwarten, dass ausgerechnet der Gastgeber dabei die treibende Kraft ist. Claudia Kempfert, Klima-Expertin vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), vermutet, dass der Sultan „alles verhindert wird, was eigentlich notwendig ist“.

Wie dringend ein Kurswechsel ist, zeigen die jüngsten alarmierenden Zahlen des Zwischenstaatlichen Sachverständigenrats für Klimaänderungen (Intergouvernemental Panel on Climate Change, IPCC). Danach ist die globale Durchschnittstemperatur allein von 2011 bis 2020 bereits um 1,1 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau gestiegen. 2023 wird wohl das bisher wärmste gemessene Jahr in der Geschichte werden. Inzwischen rechnen Klimaforscher damit, dass die globale Temperatur bis Ende dieses Jahrhunderts selbst dann um 2,5 bis 2,9 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit steigt, wenn die Staaten ihre jeweiligen Ziele zur Reduzierung ihrer Treibhausgasemissionen einhalten.

Die Bundesregierung bekommt für ihre halbherzige Klimapolitik weder von deutschen Gerichten noch von zivilgesellschaftlichen Organisationen ein gutes Zeugnis ausgestellt. Der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO) hat zusammen mit der Klimaallianz Deutschland anlässlich der COP28 Forderungen an die Bundesregierung formuliert: „Kurskorrektur für den Klimaschutz“. Darin fordern die Herausgeber die Bundesregierung auf, „sich aktiv für eine zügige Umsetzung und angemessene Finanzierung des Fonds für klimabedingte Schäden und Verluste einzusetzen. Ebenso muss die Bundesregierung darauf hinwirken, dass die Weltklimakonferenz einen gerechten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen vereinbart. Um die 1,5-Grad-Grenze zu halten, ist eine Einigung über den Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen auf der diesjährigen Konferenz entscheidend.“

Nachtrag: Heute wird berichtet, der Sultan Al-Dschaber halte den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern für unnötig. Quod erat demonstrandum.