Natürlich bin ich kein Rassist. Über Diskriminierung

Wenn es stimmt, dass über Diskriminierung nur die Opfer derselben reden dürfen, dann habe ich als alter weißer Mann, der ich nun mal bin und daran wird sich voraussichtlich so schnell nichts ändern, zu schweigen. Ich habe keinen Migrationshintergrund, bin keine Frau, bin weder Neger, Krüppel noch Zigeuner, bin kein Jude, kein Moslem, nicht schwul, weder Bi noch Trans noch Inter – obwohl ich mich durchaus als bekennenden Feministen mit einer ausgeprägten Wokeness bezeichnen würde.

Karrikatur von Haitzinger, Badische Zeitung

Ich bin nicht mal in der AfD und auch kein Coronaprotestler, was mir freien Eintritt in die Opfercommunity bescheren würde. Ich kann auch keine schwere Kindheit anführen, keine Missbrauchserfahrung, und die Tatsache, armen Verhältnissen zu entstammen und den sozialen Aufstieg aus eigener Kraft geschafft zu haben, gehört heute zu jeder anständigen Biografie. Ich habe die Arschkarte, bin trotz meines Alterweißermannseins der Neger, habe den schwarzen Peter. Ja ich weiß, „schwarzer Peter“ und „Neger“ gehen gar nicht. Da hilft auch nicht der Hinweis auf den „Negerführer Martin Luther King“ (so die Wochenzeitung die ZEIT am 6.11.1964), der in seiner berühmten Rede vom 28. August 1963 das N-Wort mehrere dutzend Male benutzte.

Mein Kampf (upps, Vorsicht!) – mein bescheidenes Eintreten für #Gerechtergeschlechtigkeit, gegen #Racial Profiling, für ein #Fahrverbot für Bobbycars in Innenstädten und sone Sachen muss also weiter im Stillen erfolgen. Wobei ich mir noch einen Hinweis erlauben möchte: Auch lesbische schwarze Behinderte können ätzend sein! Das ist nicht von mir, sondern von Funny van Dannen (den ganzen Text gibt es hier).

Hassmails zu diesem Text bitte richten an: arschkarte(at)web.de


„Papa hat immer gepupst“. Ein Beitrag zur Enttabuisierung des Furzens

Nun ist mir Harald Martenstein zuvorgekommen mit seiner Kolumne im aktuellen Zeitmagazin (Nr. 4 vom 21.1.2021) über die Kijimea-Werbespots. Man kann ihnen nicht entgehen, immer kurz vor der Tagesschau. Muss ein Schweinegeld kosten, diese Werbung.  Jeder Spot um die 20 Sekunden lang, und immer nach dem Muster: Sympathische/r Mann, Frau, Oma hat Blähungen, schämt sich natürlich dafür, süßes Kind oder ersatzweise süßer Hund schämen sich mit. Aber alles wird gut mit Kijimea Reizdarm PRO: Wie weg!

Martenstein glaubt übrigens beobachtet zu haben, dass Menschen mit erkennbarem Migrationshintergrund nicht in der Kijimea-Werbung vorkommen und fragt sich, welche Rückschlüsse auf deren Blähungserleben daraus zu ziehen wären. Das wollen wir der interkulturellen Flatulenzforschung (Furzologie) überlassen.

Hier und heute soll es um die Frage gehen: Warum ist furzen ein gesellschaftliches Tabu? Zumindest gilt das für das öffentliche Furzen. Laut Duden bedeutet furzen „eine Darmblähung (laut) entweichen lassen“. Wobei nach dem gesunden Volksempfinden nicht allein die Lautstärke, sondern auch die olfaktorische Entfaltung eines Furzes dessen Qualität ausmachen. Nicht umsonst warnt der Volksmund vor denen, die so leise zischen, usw. Man kennt den Spruch. Immer wieder wird behauptet, dass in früheren Zeiten das Furzen nicht in gleicher Weise geächtet war wie heute. Von Martin Luther soll der Ausspruch sein: „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz“. Michel de Montaigne, einer der bedeutendsten Philosophen des Späthumanismus, hat im 16. Jahrhundert schon anerkennend über die Kunst des Furzens berichtet: „Und wenn der heilige Augustinus … anführt, er sei jemandem begegnet, der seinem Hintern so viele Fürze abzufordern gewußt habe, wie er wollte, und sein Kommentator Vives dies durch das Beispiel eines Mannes noch überbietet, der zu seiner Zeit genau auf den Tonfall ihm vordeklamierter Verse abgestimmte Fürze habe herunterorgeln können …“ (Michel de Montaigne: Von der Kunst, das Leben zu lieben. Übersetzt, ausgewählt und herausgegeben von Hans Stilett, dtv 2007, S. 28). Ende des 19. Jahrhunderts soll es in Frankreich einen Kunstfurzer namens Pujol gegeben haben, der bei öffentlichen Auftritten die Marseillaise furzen konnte.

Um auf die Kijimea-Werbung zurückzukommen: Nicht die Blähung an sich ist das Problem, sondern das Zurückhalten derselben aus gesellschaftlicher oder familiärer Rücksichtnahme. Würde man ihr, der Blähung, ohne Scham und Hemmung freien Lauf lassen, würde es erst gar nicht zum schmerzhaften Stau kommen, und Kijimea wäre sinnlos (wirkungslos ist es ja vermutlich sowieso). Der bereits erwähnte Michel de Montaigne hat auf die Gefahr hingewiesen, die von unterdrückten Blähungen ausgeht und wollte erfahren haben, „wie oft uns der Bauch durch einen einzigen verhaltenen Furz bis an die Schwelle eines äußerst qualvollen Todes zu führn vermag“. Das scheint mir nun doch etwas übertrieben. Aber vieles spricht dafür, dem öffentlichen Furzen mehr Raum zu geben. So ließe sich zum Beispiel dem coronageschuldeten Abstandsgebot leichter Geltung verschaffen: Kommt dir jemand im Bus oder im Supermarkt zu nahe, einfach einen – in diesem Falle deutlich hörbaren – Furz emittieren. Oder im Kino, wenn du dich durch Popkorngeknister und geruchsintensive Dips belästigt fühlst, einfach Gleiches mit Gleichem heimzahlen und deine körpereigenen Abwehrinstrumente zum Einsatz bringen. Sogar als Ausdruck des politischen Protestes gegen ungezügelten Kapitalismus lässt sich der Furz einsetzen: Um zum Beispiel in einer Verkaufsstelle für chemische Kampfstoffe (=Douglas-Filiale) gegen die dort herrschende Geruchsorgie anzustinken.

Grundsätzlich gilt es als unschicklich, in Gegenwart Anderer zu furzen. Geschieht es trotzdem, ungewollt und ohne politische Absicht, so ist es dem Verursacher meistens peinlich und er – oder sie, aber man denkt doch eher er – versucht seine Urheberschaft zu verbergen. Ebenso unschicklich ist es, den vermeintlichen Verursacher direkt auf sein „Vergehen“ anzusprechen: „Haben Sie etwa gerade gefurzt?“ Ich empfehle für solche Fälle eine diplomatischere Variante, die den Furzer nicht gleich bloßstellt: „Verzeiht! ich hör euch deklamieren; Ihr last gewiß ein griechisch Trauerspiel?“ (so Wagner zu Faust in Goethes Tragödie Erster Teil). Solcherlei Geschwurbel würde sich erübrigen, wenn das öffentliche Furzen enttabuisiert würde. 

Wie aber sieht es mit Flatulenzen im privaten Umfeld, in der Beziehung aus? Darf, ja soll man in Gegenwart des geliebten Menschen einen oder mehrere fahren lassen? Wie viele Fürze hält eine gute Beziehung aus? Kaum jemand wird schon beim ersten Rendezvous pupsen, wenn es sich vermeiden lässt. Alena Schröder hat in einer Kolumne in der Süddeutschen Zeitung vom 21. März 2016 unter der Überschrift „Der Schwefelgeruch der Liebe“ gemeint, ein Furz sei der „gastroenterologische Ausdruck für »Ich liebe Dich!“ Was sie damit meinte: Ich muss dir nichts vorspielen, auch meine Blähungen sind Teil von mir. Und die Partnerin oder der Partner toleriert die Furzerei. Das funktioniert aber nur, wenn die Beziehung stabil ist. Gerät die Beziehung in eine Krise, in eine destruktive Phase, dann kann der ungehemmt emittierte Furz eine andere Aussagekraft bekommen, nämlich (ich zitiere Alena Schröder) „Ich bin zu faul, um vom Sofa aufzustehen und diese enorme, stinkende Gaspeitsche aus Höflichkeit und Achtung vor Dir aufs Klo zu tragen. Dies ist kein versehentlich losgelassenes Zeichen meiner Gelöstheit in deiner Gegenwart, sondern die absichtliche Manifestation meiner Trägheit. Mit diesem schwefligen Fanfarenstoß zeige ich Dir, wie gleichgültig Du mir im Grunde bist, wie wenig ich noch das Bedürfnis habe, mir ein wenig Mühe zu geben, um Dir meine Gesellschaft so angenehm wie möglich zu machen.« Der Furz ist demnach so etwas wie der »Wind of Change« einer Partnerschaft, zum Guten wie zum Schlechten. Durch diesen Sturm gemeinsam in Richtung Sonnenuntergang zu segeln, ist die hohe Kunst der Liebe.“

Es kommt also, wie so oft im Leben, auf den Kontext an. Ich furze, also bin ich. Du furzt, also liebst du mich. Oder auch nicht. Darauf hat auch Kijimea keine abschließende Antwort.


Kritik an der Deutschen Bank treibt Aktie in den Keller

Wieder mal hat ein Beitrag auf dieser Blogseite dramatische, in diesem Falle wirtschaftliche Auswirkungen: Seit vor wenigen Tagen hier das dubiose Geschäftsgebaren der Deutschen Bank gegeißelt wurde (siehe Beitrag vom 16. Januar: Ach, Deutsche Bank …), hat der Kurs der Aktie um zehn Prozent nachgegeben:

Kursentwicklung Deutsche Bank

Das kann doch kein Zufall sein. Dabei war der Kurs seit Anfang Januar bis Mitte des Monats deutlich im Aufschwung. Liebe Kleinaktionäre: Wir bedauern, dass durch unsere kritische Berichterstattung eure Wertpapiere nun schon wieder in den Keller rauschen. Aber ihr seid ja Schlimmeres gewöhnt: Immerhin lag die Deutsche-Bank-Aktie schon mal bei 90 Euro (2007), und der Tiefstand von 5,20 Euro im letzten Jahr war sicher noch nicht das (untere) Ende der Fahnenstange. Mein Börsentipp (aber nicht weitersagen): Jetzt verkaufen und bei Stand von 1,50 Euro wieder kaufen!


Warum der Merz ein Amt braucht

Dreimal musste Friedrich Merz nun eine Niederlage im Wettbewerb um ein CDU-Amt hinnehmen. Der Karrikaturist Stuttmann hat das in der Badischen Zeitung von heute so verarbeitet:

Der an-/ge-/abgeschlagene Merz reagiert angepisst: „Männo! Dann will ich wenigstens Minister sein!“ Oh, wie peinlich. Er will ein Amt, egal wie. Max Weber hat dazu in seinem Vortrag „Politik als Beruf“ (von 1919!) gemeint, der Politiker müsse seine Eitelkeit überwinden, seine hochfliegenden Pläne zur Rettung der Menschheit mit Abstand betrachten und vor allem Enttäuschungen wegstecken können. Und was meint der Psychoanalytiker Carl-Gustav Jung (der neben viel Klugem auch manchen Stuss verzapft hat) richtigerweise dazu: „Die Identifikation mit Amt und Titel hat etwas Verführerisches, weshalb viele Männer nichts anderes sind, als ihre von der Gesellschaft ihnen zugebilligte Würde. Es wäre vergeblich, hinter dieser Schale eine Persönlichkeit zu suchen, man fände bloß ein erbärmliches Menschlein. Darum eben ist das Amt … so verführerisch, stellt es doch eine billige Kompensation für persönliche Unzulänglichkeiten dar“ (C.G. Jung, Gesammelte Werke VII).

Dazu fällt einem nicht nur der Name Friedrich Merz ein.


Ach, Deutsche Bank …

… keine Geschäfte mehr mit Donald Trump? Wie das? Wo ihr doch viele Jahre so toll zusammengearbeitet habt! Manche behaupten ja, ohne dein Geld wäre Trump nicht Präsident der USA geworden. Moralische Skrupel dürften es wohl kaum sein, die dich nun bewogen haben, die Geschäftsbeziehungen mit Trump und seinem Firmenimperium einzustellen. Bloß weil der paranoide, sich an sein Amt klammernde Präsident seine rechtsradikalen Unterstützer zum gewaltsamen Aufruhr anstachelt und in bester Diktatorenmanier Wahlergebnisse ignoriert? Wir vermuten mal, es geht euch ganz allein um Imagepflege, weil eine weitere Zusammenarbeit mit Trump letztlich geschäftsschädigend sein könnte. Du fürchtest um den guten (?) Ruf der Marke „Deutsche Bank“, gell?

Damit bist du übrigens in guter Gesellschaft: Auch andere Großunternehmen fürchten um ihr Ansehen und wenden sich von Trump ab: Soziale Medien wie Twitter und Facebook sperren seine Konten, der US-Golfverband wird seine jährliche Meisterschaft nicht, wie ursprünglich geplant, auf Trumps Golfanlage veranstalten. Das Wall Street Journal berichtet von weiteren Firmen, die sich von Trump abwenden, wie z.B. Shopify, Stripe und JLL. Sogar die National Rifle Association meldet Insolvenz an, eine Tragödie von nationaler Dimension für alle Waffenfreunde in den USA.

Wenn also die Sorge um deinen Ruf als Deutsche Bank Anlass für den Rückzug von Trump sein sollte, dann fragen wir uns: Wie das jetzt? Ist dein Ruf nicht schon längst durch eine schier endlose Liste von Skandalen ruiniert? Gerade erst hast du 186 Mio. Euro in einem Vergleich um angebliche Zinsmanipulationen in den USA gezahlt. Und wegen der Geschäfte mit dem verurteilten Sexualverbrecher Epstein hast Du eine Strafe von 150 Mio. Dollar zahlen müssen. Dabei sind das eher Peanuts im Vergleich zu früheren Strafzahlungen. Dein Gebaren auf dem amerikanischen Immobilienmarkt während der Finanzkrise 2008/2009 hat dir wegen fragwürdiger Hypothekengeschäfte 2013 eine Strafzahlung von 1,9 Milliarden Dollar und 2017 von 7,2 Milliarden Dollar beschert. Deine Beteiligung an Geldwäschegeschäften russischer Großkrimineller wurde durch die FinCEN-Files aufgedeckt (FinCEN steht für Financial Crimes Enforcement Network), was wiederum mit einer Strafzahlung von 600 Mio. Dollar endete. An der von der EU-Kommission verhängten Strafzahlung von 1,7 Mrd. Euro gegen sechs europäische Großbanken wegen der Manipulation von Referenzzinssätzen wie Euribor und Libor warst du auch mit satten 725 Mio. Euro beteiligt, und obendrauf kam dann noch eine durch britische und amerikanische Behörden verhängte Strafe von 2,5 Milliarden Dollar. Erwähnt seien auch noch die 260 Millionen Dollar, die du 2015 wegen der Iran-Connection bezahlt hast. Auch im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der sog. Paradise Papiers 2017 wurdest du genannt. Durch die Zusammenarbeit mit dem Skandalunternehmen Wirecard hast du einen Verlust von 18 Mio. Euro eingefahren.



Lt. Wikipedia (aufgerufen am 16.01.2021) wurde dir 2020 zur Last gelegt, „bei der Anbahnung neuer Geschäftsbeziehungen mit Kunden unter anderem in China gegen Gesetze zur Vermeidung von Korruption verstoßen zu haben. Dem Gericht zufolge gab es außerdem Verletzungen bei der Kontrolle über Geldwäsche bei Zahlungen in Saudi-Arabien und Abu Dhabi. Anfang 2021 legte die Bank mit der Zahlung von insgesamt rund 130 Millionen Dollar entsprechende Rechtsstreitigkeiten zu den Akten. Das Institut habe zwei Vergleichen mit dem US-Justizministerium und der Wertpapieraufsicht SEC zugestimmt, erklärte ein Gericht in New York.“  

Gibt es eigentlich eine Schweinerei auf den internationalen Finanzmärkten, an der du nicht beteiligt bist? Und was, wenn Trump die rund 300 Mio. Euro, die er dir noch schuldet, nicht zurückzahlt? Und wieso sind Kredite, die du an Trump gewährt hast, durch die Russische Regierung garantiert? Fragen über Fragen. Herr Sewing, wir erwarten eine Erklärung. Sonst droht Ihnen eine Strafzahlung von 150 Euro – das wäre mein Honorar für das Verfassen dieses Blogbeitrags.


Wie gefährlich ist 5G? Mobilfunkgegner machen mobil

Die Einführung der neuen Mobilfunkgeneration 5G ist umstritten. Kritiker fürchten Gesundheitsschäden und eine zunehmende Kontrolle und Datenerfassung sowie einen verstärkten Energie- und Ressourcenverbrauch. Viele Mediziner, Wissenschaftler und Umweltschutzorganisationen bewerten dem Einsatz von 5G kritisch. In einem Internationalen Appell mit über 300.000 Unterzeichnern weltweit (Stand Januar 2021) heißt es: „Der Einsatz von 5G wird eine massiv erhöhte Einwirkung hochfrequenter Strahlung (HF) auf den Menschen zur Folge haben, zusätzlich zu den bereits jetzt genutzten 2G-, 3G- und 4G-Telekommunikations-Netzwerken. Die gesundheitsschädigende Wirkung von Hochfrequenzstrahlung auf Mensch und Umwelt ist bewiesen. Die Anwendung von 5G stellt ein Experiment an der Menschheit und der Umwelt dar, was durch internationales Recht als Verbrechen definiert ist.“

Die Diskussion wird nun neu befeuert durch den Offenen Brief eines „Bündnis Verantwortungsvoller Mobilfunk Deutschland“ an den Bundespräsidenten, an die Bundeskanzlerin, an die Ministerien BMVI, BMU, an das BfS (Bundesamt für Strahlenschutz) und die SSK (Strahlenschutzkommission), an alle Bundestagsabgeordneten, an alle Landesregierungen und Kommunen, an die Presse. In der Einleitung des Briefes wird vor den „möglichen gesundheitlichen Schädigungen durch Mobilfunk, WLAN und anderen Strahlungsquellen“ gewarnt: „Sie reichen von Schlaflosigkeit über Burnout bis zu Krebserkrankungen – auch bei immer jüngeren Menschen. Mit 5G kommt zusätzlich eine ganz neue Dimension von Strahlungsdichte und -belastung auf uns zu, mit immer höheren Frequenzen, die in ihrer Langzeitwirkung bisher nicht erforscht sind.“ Der Brief listet 17 Forderungen an die Bundesregierung auf, wie z.B. die veralteten, immer noch gültigen Grenzwerte vom Jahr 1997 / 2013 im Sinne der Vorsorge neu zu definieren, umgehend ein Moratorium für den 5G-Rollout zu veranlassen, neue vorsorgeorientierte Sicherheitsabstände von Sendeanlagen zu Wohnungen zu definieren, Funk- und WLan-freie Zonen für Kliniken, öffentliche Verkehrsmittel, Kindergärten und Schulen zu schaffen, um nur einige der Forderungen zu nennen – im Einzelnen nachzulesen in dem erwähnten Offenen Brief.

Unterzeichnet ist der Brief von ca. 30 Aktionsgruppen und Bürgerinitiativen, darunter auch das „Aktionsbündnis Freiburg 5G-frei“ und die „Bürgerinitiative 5G-freies-Hexental“. Will man sich näher über das Bündnis informieren, wird man allerdings enttäuscht: Auf der Internetseite des Bündnisses gibt es außer dem Abdruck des Offenen Briefes vom 18.01.2021 keine weiteren Informationen.

Hier eine knappe Zusammenfassung der zentralen Kritikpunkte:

  • Von offizieller Seite wird nicht über die Gefährdung durch Mobilfunk etc. informiert, die Gefahren werden verharmlost, es findet keine Vorsorgepolitik statt, die meisten Menschen und auch die Politiker wissen nichts über die Gefahren
  • Es gibt wissenschaftlich bestätigte gesundheitliche Belastungen der Bevölkerung – besonders der Elektrosensiblen, der Kinder und Älteren – durch die Verdichtung der Funkstrahlen-Exposition mit der flächendeckenden Installation von 5G
  • Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge werden auch Insekten (Bienen!) durch Mobilfunkstrahlung geschädigt
  • Gefahr der unzulässigen Datenerfassung aller Bürger in Echtzeit
  • exorbitant zunehmende Energieverbrauch durch 5G und die damit verbundenen Anwendungen (z.B. Internet der Dinge / IoT), erhöht den CO2 Ausstoß und beschleunigt den Klimawandel
  • weiter steigende Ressourcenverbrauch für die Produktion der Sende/Empfangs- Übertragungstechnik sowie für Milliarden neuer Endgeräte, Sender und Satelliten.

Was ist von den Befürchtungen und Beschwerden der 5G-Kritiker zu halten? Soll man, muss man diese ernst nehmen? Unbedingt. Aber es gibt auch anderslautende, gegenteilige Stimmen. Der Stand der wissenschaftlichen Forschung zu den möglichen Risiken von 5G ist nämlich keineswegs so eindeutig, wie es die Kritiker gerne behaupten. Auf der Internetseite des Bayerischen Rundfunks heißt es in einem Beitrag zu 5G:

„Die hochfrequenten Wellen von Mobilfunk können prinzipiell den Körper erwärmen – auch in gefährlichem Maß. Dieses Risiko verhindern jedoch Grenzwerte für die Antennen, die Hersteller von Handys und Betreiber von Masten einhalten müssen.

Je besser die Mobilfunkverbindung zwischen der Basisstation und dem einzelnen Handy ist, desto geringer ist die Strahlung, die das Handy im unmittelbaren Umfeld des Nutzers erzeugt. Deshalb führen mehr Basisstationen im Durchschnitt zu weniger Strahlenbelastung, da ein Handy weniger stark senden muss, um Daten an die Basisstation zu übertragen. Generell ist erkennbar, dass der größte Teil der Strahlenbelastung aus dem unmittelbaren persönlichen Umfeld stammt (das eigene Handy, das schnurlose Telefon, das eigene WLAN-Netz). Die Belastung durch Basisstationen ist schon bei einer Entfernung von nur 100 Metern im Durchschnitt deutlich geringer.“

„Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), genauer der International Agency for Research on Cancer (IARC), stufte als internationale Behörde elektromagnetische Felder in die Kategorie „wahrscheinlich krebserzeugend“ (Gruppe 2B) ein. In der Gruppe 2B des IARC stehen sehr unterschiedliche Stoffe oder Beschäftigungen, Aloe-Vera-Extrakt ebenso wie zum Beispiel die Tätigkeit in einer Berufsfeuerwehr. Der Knackpunkt bei Mobilfunk: Die WHO schreibt, die Mobilfunk-Felder könnten eine Gefahr bedeuten.

Das ist das wissenschaftliche Fazit – solange noch geforscht wird. Bislang steht ein überzeugender, wissenschaftlich einwandfreier Beweis dafür aus, dass Handys und die dafür verwendeten elektromagnetischen Wellen etwa Krebs auslösen. Die Studien, auf die Kritiker oft hinweisen, weisen aus wissenschaftlicher Sicht zu viele Schwächen oder Widersprüche auf, um als Beweis zu dienen.“

Einen guten Überblick über die Debatte bietet z.B. Ökotest im August 2019: 5G: ein Gesundheitsrisiko? Was Sie über den Mobilfunkstandard wissen müssen.

Eine weitere Informationsquelle bietet die Website Correctiv: Wie derzeit Stimmung gegen den neuen Mobilfunkstandard gemacht wird.

Fazit: Es gibt Hinweise und Anhaltspunkte auf mögliche Gesundheitsgefährdungen durch hochfrequente Felder, wie sie bei 5G und der Mobilfunktechnik generell zum Einsatz kommen. Aus wissenschaftlicher Sicht wird allerdings vor Panikmache gewarnt, denn nach dem derzeitigen Kenntnisstand gebe es unterhalb der definierten Grenzwerte kein gesundheitliches Risiko. Eine letzte Sicherheit scheint es aber nicht zu geben. Das Bundesamt für Strahlenschutz rät deshalb zur Vorsorge und will die Auswirkungen der neuen Technik genau beobachten und durch weitere wissenschaftliche Studien erforschen.

Die Kritiker fordern ein Moratorium. Das hätte aber konsequenterweise schon längst erfolgen müssen, denn eine höhere Gefährdung durch die neue Mobilfunk-Technologie gegenüber den bereits seit Jahren gebräuchlichen Standards darf zumindest ernsthaft bezweifelt werden. Und: Der beste Schutz ist der persönliche Umgang mit dem Mobiltelefon. Man kann die Strahlung in unmittelbarer Körpernähe minimieren und die Nutzung des Smartphones auf das notwendige Maß beschränken. Es gibt strahlungsarme Geräte, und man kann stattdessen das Festnetz benutzen, wenn man zuhause telefoniert.


Meine Lektüreempfehlung: Apeirogon von Colum McCann

Bücher mit 600 Seiten müssen für mich schon sehr gut sein, wenn ich sie nicht nach den ersten Kapiteln ermüdet weglegen soll. Colum McCann hat es mit seinem Roman „Apeirogon“ geschafft, mich bis zur letzten Seite bei Laune zu halten. Obwohl: Laune macht dieses Buch nicht. Es ist schwere Kost. Es handelt vom Konflikt Israel/Palästina. McCann erzählt die Geschichte von Bassam Aramin, Palästinenser, und Rami Elahan, Israeli. Diese beiden treibenden Kräfte, die sich dem gemeinsamen Kampf gegen den Hass verschworen haben, sind reale Personen, wie der Autor in seiner Vormerkung schreibt.

Erzählt wird die Geschichte ihrer Freundschaft aus traurigem Anlass: Beide haben ihre Töchter durch Gewalt verloren. Smadar Elahan, die Tochter von Rami, wurde im Alter von 13 Jahren Opfer eines Sprengstoffanschlags in Jerusalem. Abir Aramin, die Tochter von Bassam, wird durch das Gummigeschoss eines jungen israelischen Soldaten getötet, als sie zehn Jahre alt ist. Die Form dieses „Hybridromans“ ist ungewöhnlich und orientiert sich an Apeirogon (daher der Name) „eine zweidimensionale geometrische Form mit einer gegen unendlich gehenden Zahl von Seiten“ (so im Klappentext). Nun sind die Seiten nicht unendlich, und die Zahl der Kapitel scheint mit 1000 fast unendlich, aber viele Kapitel bestehen aus nur einem Satz, ein paar Zeilen. Von Kapitel 1 bis 500 wird aufwärts gezählt, dann wieder abwärts von 500 bis 1. Man könnte mit der Lektüre durchaus genau in der Mitte des Buches, also mit den beiden Kapiteln 500 anfangen, wo Rami und Bassam ihre jeweilige Geschichte erzählen. Aber egal, wo anfangen, unbedingt lesenswert! 


In eigener Sache

Nach nunmehr neun Monaten erlaube ich mir einen selbstgefälligen Rückblick auf mein Leben als Blogger. Fast 60 Beiträge wurden in dieser Zeit gepostet. Die müssen ja erst mal geschrieben werden. Natürlich waren nicht alle von höchster gesellschaftlicher Relevanz. Die Themen oszillierten zwischen boulevardesker (erspart Euch den Griff zum Duden, das Wort gibt es wirklich) Belanglosigkeit, knallharter Gesellschaftskritik und philosophischer Tiefe. Selbst Blödeleien und theatralische Fragmente durften ihren Platz haben. Hier meine persönliche „Best-of-Liste“: Corona – alles nur Theater (28.03.), Nie wieder Krieg (11.04.), Über Phobien (17.04.), Tag des Hamburgers (27.05.), Lügenpresse (22.08.), Unfassbar (28.08.), Waschen – legen – föhnen (08.10), Warum Ihr nicht das Volk seid (23.11.), Alles wird gut (28.12.). An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an meine geneigte Leserschaft für positive Rückmeldungen und kritisch-wohlwollende Kommentare.

Blogger und Youtuber starren natürlich gebannt auf ihre Aufrufzahlen (klicks). So do I: Bisher 52 Follower, fast 4.000 Aufrufe in nur neun Monaten, damit bin ich zufrieden, freue mich aber auch über weitere Abonnent*innen. Werbeeinnahmen sind noch nicht geflossen. Obwohl ich z.B. der Zeitschrift „beef“ mehrfach prominenten Platz in meinen Blogbeiträgen eingeräumt habe. Auch von der VG Wort (das ist sowas wie die Gema für Texte) gab es noch keine Tantiemen. Dazu müsste ein von mir geposteter Text eine Mindestgröße und eine Mindestaufrufzahl aufweisen. Die Mindestgröße ist nicht das Problem, aber die Klickzahlen. Das müssen schon ein paar Tausend in einem Jahr sein. Also, liebe geneigte Leserschaft: strengt Euch an! Kleiner Tipp: Es gibt doch sicher Roboter, die Beiträge in regelmäßigen Abständen automatisch aufrufen, oder?

Eine Freundin meinte: Bloggen? Das ist ja sowas von oldschool! Meinetwegen – dann isses eben so. Ich werde mir jetzt nicht die Haare grün färben und ein Youtubevideo produzieren zu „Die Zerstörung des DFB“. Aber Blogbeiträge wird es von mir auch im neuen Jahr geben. Eigentlich habe ich mir vorgenommen, mich nicht mehr aufzuregen. Heiter und gelassen bleiben, egal was passiert. Das ist gar nicht so einfach. Anlässe zum Aufregen kommen einem ja dauern unter. Zum Beispiel gestern wieder: Ein Rolle Klopapier, bei der der Anfang sowas von festverklebt war, dass man endlos lange rumfummeln musste, bis man das Papier endlich ordentlich abrollen konnte. Über sowas soll man sich nicht aufregen? Ähnliches gilt für Papierhandtuchspender, aus denen man Papierhandtücher mit nassen Händen herausziehen soll, was immer damit endet, dass … na ja, Ihr wisst schon.

„Empört Euch!“ – dazu hat uns der ehemalige französische Widerstandskämpfer Stéphane Hessel vor zehn Jahren in einem Essay aufgefordert. Er meinte allerdings nicht unbedingt verklebte Klopapierrollen oder Papierhandtuchspender. Unvergessen auch der leider nicht mehr öffentlich auftretende Lothar Dombrowski alias Georg Schramm mit seinen Ausführungen über den Zorn. Auf youtube kann man sich das noch ansehen, und es ist einfach saugutes Kabarett: https://www.youtube.com/watch?v=keY_Tr2A10k

Mit dieser Empfehlung empfehle ich mich und wünsche meinen geneigten Leserinnen ein gutes Neues Jahr! Der nächste Blogbeitrag kommt bestimmt.