Die verlorene Ehre des Hubert Aiwanger: „Seit dem Erwachsenenalter ein Menschenfreund“

Es ist doch immer wieder erstaunlich, wieviel Blödheit in ein einziges kurzes Statement passt. Gestern nun hat sich Hubert Aiwanger zu den gegen ihn gerichteten Vorwürfen so geäußert: „Es ist auf alle Fälle so, dass in der Jugendzeit das ein oder andere so oder so interpretiert werden kann, was als 15-jähriger mir vorgeworfen wird. Aber auf alle Fälle sage ich: Seit dem Erwachsenenalter, die letzten Jahrzehnte: Kein Antisemit, kein Extremist – sondern ein Menschenfreund“, so Aiwanger. Dass über seine Jugendzeit diskutiert werde, wundere ihn.

Das, worüber sich Herr Aiwanger wundert, und was „so oder so interpretiert werden kann“ liest sich so (oder wie könnte man es noch interpretieren?)

Wenn das Datum 1.1.88 auf dem Flugblatt stimmt, dann war Aiwanger zu diesem Zeitpunkt nicht fünfzehn, sondern fast siebzehn Jahre alt (Geburtsdatum 26.01.1971) und demnach kurz vor dem Eintritt ins Erwachsenenalter und der dann erfolgten wundersamen Mutation zum Menschenfreund.

Sein Bruder Helmut, der Waffenhändler, hat im Zusammenhang mit dem Flugblattskandal an Heinrich Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ erinnert (alle unter 50jährigen bitte googeln).

Hallo Hubert und Helmut Aiwanger, Freie Wähler, Markus Söder: Wie lange wollt Ihr uns eigentlich noch für blöd verkaufen????


Neues aus der Schulranzenforschung: Wie das KZ-Flugblatt in Aiwangers Ranzen geriet

Der Aiwanger Hubert ist ein Meister des geschliffenen Wortes. Das hat er kürzlich bei seiner Rede in Erding unter Beweis gestellt, wo er gegen die Heizungsideologie und für die freie Schweinsbratenwahl der Deutschen kämpfte und meinte, unsere Jugend „muaß Haiser baun, muaß Kindr kriagn, anstatt sich auf die Straße zu kleben“. Nicht ganz geglückt war sein Aufruf, „die schweigende große Mehrheit dieses Landes müsse sich die Demokratie wieder zurückholen“. Das war irgendwie blöd, aber so isser halt, der Hubsi. Die ganze Rede findet Ihr hier.

Jetzt hat er schon wieder Ärger, der Hubert. Ein antisemitisches Flugblatt fand auf unerklärliche, wundersame Weise den Weg in seinen Schulranzen. To be honest: Kennen wir das nicht alle aus unserer Schulzeit? Dinge, die plötzlich in unserem Ranzen rumliegen. Eine verschimmelte Apfelsine, eine ranzige Stulle, ein versifftes Sporttrickot – unerwartet finden wir in den Tiefen unseres Schulranzens längst vergessene Utensilien, und wir erinnern uns nicht, wie sie den Weg dorthin fanden. So geschah es auch dieser Tage Hubert Aiwanger, Minister für derbe Biertischreden und Bayerns Vize-Ministerpräsident.  In seinem Falle geht es um ein Flugblatt. Darin durfte man sich zu einem Vorstellungsgespräch im Konzentrationslager Dachau bewerben und einen Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz oder einen kostenlosen Genickschuss gewinnen. Jetzt regt sich die ganze Nation wieder auf. Dabei hat der Hubert, jo mai, doch nur einen Spaß gemacht!

Außerdem war er es nicht selbst, sondern sein Bruder. Der heißt Helmut, hat ein Waffengeschäft, lange Haare und dreht sich seine Zigaretten selbst. Was bitte soll daran falsch sein? Er, also der Bruder, hat das Flugblatt nur verfasst, weil er sauer war. Das verstehen wir. Und der Hubert, der hatte die Flugblätter in seinem Ranzen, weil er sie aus dem Verkehr ziehen wollte, also quasi ein zivilcouragierter Widerstandskämpfer gegen judenfeindliche und nazifreundliche Hetzschriften. Das glauben wir jetzt aber mal ganz, ganz feste.


Entrüstung bei der Rüstungsindustrie: Bund verfehlt das Zwei-Prozent-Ziel. Weihnachtsleckereien werden teurer

Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik hat einen – nicht nur feministischen – Kurswechsel vollzogen. Seit der scholzigen „Zeitenwende“ müssen wir braven Medienkonsumenten täglich und voller Staunen neue Details über militärisches Gerät lernen: Was ist eine Panzerhaubitze, welche Rakete wie weit fliegt, welcher Panzer wo repariert wird,

FOTO: FEDERICO GAMBARINI (DPA)

wer welche Kampfflugzeuge liefert bzw. warum nicht und was Marie-Agnes Strack-Zimmermann dazu meint. Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Verteidigung, das wissen wir inzwischen, ist unbedingt für mehr Waffen. Und das hat natürlich nichts zu tun mit ihrer engen Verflechtung mit der Rüstungsindustrie und deren Interessenverbänden (Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sowie beim Förderkreis Deutsches Heer). Und dass ein Verteidigungsminister die Beliebtheitsskala der Politiker in Deutschland anführt, hätten sich Christine Lambrecht oder Karl-Theodor zu Guttenberg auch gewünscht.

Endlich darf wieder ohne Scham über Aufrüstung gesprochen werden. Der Ukraine-Krieg macht´s möglich. 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, zusätzlich zu einem regulären Jahresetat für Verteidigung von 51,8 Milliarden (Sollwert 2024). Darüber sollte sich die Rüstungsindustrie eigentlich freuen. Jahrelang musste sie darben und mit dem Slogan werben „Keine neuen Raketen, bevor die alten nicht verbraucht sind“. Trotzdem jammert Herr Atzpodien, Vorsitzender des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV): „Meine Sorge bezieht sich auf die Zeit nach 2026, wenn das Sondervermögen verbraucht sein wird. Ohne die von Minister Pistorius vergeblich geforderte kräftige Erhöhung des regulären Verteidigungsetats um zehn Milliarden Euro und mehr pro Jahr werden wir ab 2027 das Zwei-Prozent-Ziel erneut verfehlen“. (lt. Badische Zeitung vom 21.08.23)

Atzpodien fordert unsere Gesellschaft auf, deutlich mehr Geld als bisher für die Bundeswehr bereitzustellen. Wo man das einsparen soll, sagt er nicht. Beim Sozialetat? Entwicklungshilfe? Klimaschutz? Bildung und Forschung?

Nicht nur um unsere Sicherheit, sondern auch um unseren Wohlstand müssen wir uns Sorgen machen. Dazu diese Schreckensmeldung des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie: „Für Lebkuchen, Stollen und andere Weihnachtsleckereien könnten die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Jahr mitunter mehr zahlen müssen. Die seit Beginn des Ukraine-Krieges stark gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten belasten … die Unternehmen in der Branche …Manche unserer Zutaten haben sich auch in diesem Jahr im Preis noch mal fast verdoppelt“. (BZ 21.08.23)

Auch dafür muss also der Ukrainekrieg herhalten. Für die  Friedensbewegung wiederum, die es in diesen waffenstrotzenden Zeiten schwer hat, könnten die unterschiedlichen Interessen von Rüstungs- und Süßwarenindustrie zu einem neuen Slogan führen: „Frieden schaffen ohne Waffeln“ (Für diesen Kalauer bitte ich schon mal vorab um Entschuldigung).


Panne beim Regierungsflieger: Peinlich oder Ironie des Schicksals?

Ja, Außenministerin Annalena Baerbock musste ihren geplanten Besuch in der Pazifikregion wegen eines technischen Defektes am Regierungsflieger abbrechen. Nein, wir werden hier nicht in den Chor derer einstimmen, die jetzt Kübel von Häme und Spott über die Bundeswehr und ihr marodes Gerät und über die angeblich so peinliche Panne für die Bundesregierung ausschütten. Ohne ordnungsgemäß geschlossene Klappe kann die A340 der Bundeswehr nun mal nicht weiterfliegen. Eine geschlossene Klappe möchte man auch der unsäglichen FDP-Politikerin Strack Zimmermann wünschen, die den Vorfall „einfach nur peinlich“ fand.

Wieso eigentlich? Zweimal musste der Weiterflug abgebrochen werden. Ja und? Eine eher groteske Ironie des Schicksals ist, dass ausgerechnet eine grüne Ministerin auf dem Weg nach dem südpazifischen Fidschi, das wegen des Klimawandels im Meer zu versinken droht, 160 Tonnen Kerosin ins Meer kippen muss. Wenn es also demnächst im Supermarkt preisgünstige Ölsardinen gibt, wissen wir warum.

Spaß beiseite: Was ist daran eigentlich so peinlich, wenn nicht alles wie geplant läuft? Ist es nicht vielmehr sympathisch, wenn ausgeklügelte Staatsbesuche, an deren Vorbereitung Ministerialbeamte und Botschaftsangehörige vor Ort monatelang gearbeitet haben, wegen einer dämlichen Klappe in sich zusammenfallen wie ein Kartenhaus? Unter anderem sollte bei dem Besuch von Missionaren geklaute indigene Kunst zurückgegeben werden. Das kann man sicher nachholen, ohne dafür eine Ministerin samt kompletter Regierungsdelegation und Journalistentross in einen schrottreifen Regierungsflieger zu setzen.

Allen, die jetzt die abgebrochene Reise voller Häme und Spott kommentieren, sei im übrigen die Lektüre von Hartmut Rosas 2020 erschienenen Buch „Unverfügbarkeit“ empfohlen.

Warum? Einfach mal lesen.


„Nimm das schöne Händchen!“ Warum Linkshänder die besseren Menschen sind

Der heutige Internationale Linkshändertag (13. August) ist willkommener Anlass, auf die Diskriminierung der Linkshänder und Linkshänderinnen aufmerksam zu machen. Wer wie der Autor dieser Zeilen in den 1950er-Jahren heranwuchs und eingeschult wurde, weiß, wovon die Rede ist: Die erzwungene Umerziehung zum Schreiben mit der rechten Hand. „Nimm das schöne Händchen“ hieß es schon im Kindergarten, wenn das Kind zum Malstift griff, die linke Hand zur Begrüßung hinstreckte oder mit der linken Hand in der Nase bohrte. Bis heute streiten die Wissenschaftler über die Ursachen der „Sinistralität“ und die negativen Folgeerscheinungen der Umerziehung. Für die eigenen psychischen und kognitiven Störungen kann der Linkshänder, wenn schon keine schwere Kindheit, so doch immer die Umerziehung verantwortlich machen.

Heute darf jede/r schreiben, wie es ihm oder ihr gefällt. Seit den 1970er-Jahren wird nicht mehr umerzogen.

Aber mal im Ernst: Einem Linkshänder, etwa Barack Obama, beim Schreiben zuzuschauen, in gekrümmter Körperhaltung und gegen die Schreibrichtung, tut fast körperlich weh. „Nimm das schöne Händchen!“ möchte man rufen. Bei mir selbst war die Umerziehung nur teilweise erfolgreich: Schreiben mit rechts ja, aber Küchenarbeit, Schere benutzen, Schraubenzieher usw. sowie Mittelfinger zeigen lieber mit links. Boulespielen mit rechts geht gar nicht. Tischtennis auch nicht, was aber bei diesem Sport von Vorteil ist. Enge Kurven mit dem Fahrrad gehen leichter rechtsherum.

Die Linkshändigkeit kann also Vor- und Nachteile haben. Im Alltag werden Linkshänder eher benachteiligt oder regelrecht diskriminiert. Der Ziffernblock auf der Computertastatur, das Griffbrett der Gitarre, das Kartenfach am Geldautomaten: Die Bedienung technischer Geräte, das Spielen eines Musikinstruments, die Benutzung von Haushaltsgegenständen oder Werkzeugen gehen immer vom „Normalfall“ des Rechtshänders aus und machen dem Linkshänder das Leben schwer. Linksspielende Musiker haben es schwer, in professionellen Orchestern aufgenommen zu werden. Dass Kaffeetassen immer den Henkel auf der rechten Seite haben, hat die Wissenschaft allerdings schon längst als Verschwörungstheorie entlarvt.  

Dass in bestimmten Kulturen (welche, wird hier nicht genannt, um dem Vorwurf der Islamfeindlichkeit nicht Vorschub zu leisten) die Linkshändigkeit stigmatisiert ist, hat, wie man uns erklärt, damit zu tun, dass man sich dort den Hintern mit der bloßen linken Hand abzuputzen pflegt (echt jetzt, Leute? Macht ihr das so? Ist ja eklig!). Die so eingesetzte linke Hand kann dann natürlich nicht zum Essen oder zum Händeschütteln benutzt werden. Und für rechtshändig sich den Hintern Abputzende soll das etwa nicht gelten? Über die unterschiedlichen Reinigungstechniken von Links- und Rechtshändern nach dem Stuhlgang sollen hier keine weiteren unappetitlichen Details erläutert werden.

Fest steht jedenfalls, und das konnte ich durch wissenschaftliche Untersuchungen an mir selbst bestätigt finden, dass Linkshänder intelligenter und kreativer sind als Rechtshänder. Auch meine persönliche Vorliebe für linke politische Richtungen ist unbedingt auf meine Linkshändigkeit zurückzuführen. Diesbezügliche Umerziehungsversuche aus dem Freundes- und Bekanntenkreis dauern bis in den Gegenwart an, bleiben allerdings ohne Erfolg.

Linkshänder aller Länder, vereinigt Euch!


AfD oder Linksliberalismus? Die unterschätzte Gefahr

21 Prozent bekäme die AfD, wäre am nächsten Sonntag Bundestagswahl. In Österreich kommt die rechtsextreme FPÖ auf 26 Prozent Zustimmung. In vielen europäischen Demokratien sind rechte Parteien und Strömungen auf dem Vormarsch.  

Jede/r fünfte Deutsche würde also eine Partei wählen, die offen und ungeschminkt rechtsextreme Positionen und Verschwörungstheorien vertritt. Kleine Sammlung gefällig? Die AfD sympathisiert mit der Identitären Bewegung, fordert den Austritt Deutschlands aus der EU, rechtfertigt den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, schwadroniert vom „Großen Austausch“, möchte Kinder mit Behinderung vom Regelunterricht ausschließen (Höcke im Sommerinterview des NDR), negiert den Klimawandel, hetzt gegen Migranten (Messerstecher und Vergewaltiger), Genderwahnsinn, Multikulti und setzt Muslime mit Tieren gleich.

Moment mal? Hat nicht neulich der CSU-Politiker Peter Ramsauer Migranten mit Ungeziefer verglichen? Das könnte man dem Ramsauer, der schon als Verkehrsminister allerlei Dummgrütze verzapft hat, als ungeschickten Griff ins Klo nachsehen. Oder offenbart diese Ähnlichkeit etwa eine Art Geistesverwandtschaft? In den offiziellen Parteiverlautbarungen der christlichen (!) CDU/CSU hört sich das natürlich nicht so dumpfprollig an. Doch manches, was bei der AfD ungeschminkt und grobschlächtig, populistisch und radikal tönt, findet sich inhaltlich ähnlich, aber freundlicher verklausuliert, in Programmen und Äußerungen sich bürgerlich gebender Parteien.

Findet hierzulande etwa eine schleichende Gewöhnung an rechtsextreme Positionen statt? Bei der aktuellen Diskussion über den Umgang mit Flüchtlingen an den europäischen Außengrenzen drängt sich dieser Eindruck auf. Aber nicht nur bei diesem Thema: Warum eigentlich fokussiert sich eine Koalition von AfD, CDU/CSU, FDP, konservativen Wissenschaftler*innen und Medien (WELT, BILD, NZZ), Leuten wie Sahra Wagenknecht oder der Kabarettist Dieter Nuhr auf ein gemeinsames Feindbild, nämlich den „Linksliberalismus“? Diese Koalition, zu der auch rechte Internetplattformen wie Rubikon, NachDenkSeiten, der Antaios-Verlag von Götz Kubitschek, das Magazin Compact von Jürgen Elsässer, das „EIKE – Europäisches Institut für Klima & Energie“ (Zentrum der organisierten Klimaleugner-Szene in Deutschland) gehören, sieht Deutschland bedroht durch gendersensible Sprache, Klimaproteste, Verzicht auf Fleischkonsum, Diversität und Rechte für Transmenschen, Reduzierung des individuellen Autoverkehrs, Multikulturalismus, Globalismus, Lieferkettengesetz – und was da sonst noch alles in den großen Topf des grassierenden Linksliberalismus geworfen wird, von dem auch die „links-grün-versiffte“ Medienlandschaft infiziert ist.

Von überzeugten Rechtsextremen und Verschwörungsgläubigen erwartet man nichts anderes. Aber von sich bürgerlich gerierenden demokratischen Parteien? Statt sich gemeinsam auf die eigentliche Gefahr für unsere demokratische und freiheitliche Gesellschaftsordnung zu konzentrieren, nämlich die AfD und ihre rechtsradikalen Protagonisten, arbeitet man sich lieber am Linksliberalismus ab, den man irrtümlicherweise für die größere Gefahr hält.

Ein Irrtum, der sich möglicherweise noch bitter rächen wird.   


Ihre Meinung ist uns wichtig? Ein Plädoyer gegen die Bewerteritis

Wann hat das bloß angefangen? Dieses „Ihre Meinung ist uns wichtig“? Früher wurden nur in der Schule Noten vergeben. Dann kamen Mitte der 60er Jahre die Michelin-Sterne für teure Restaurants mit kleinen Portionen auf großen Tellern. Heute schmücken sich Hotels, Campingplätze, Bordelle, Pflegeheime, Bahnhofstoiletten, Friedhöfe und andere Etablissements mit Sternen, um Gäste anzulocken. Nicht immer verbirgt sich dahinter astraler Glanz. Sei´s drum.

Sie nervt, die seit Jahren grassierende Pest der Bewerteritis. Selbst der belangloseste Eintrag  bei Facebook wird mit ungezählten Likes aus dem Kreis der „Freunde“ gefeiert. Wenn´s doch bloß bei der Likeritis bei Facebook oder ähnlichen sozialen Medien bliebe! Ob Pizzabestellung, Restaurantbesuch, Hausarzt, Uni-Professor/in, der Vollzug des außerehelichen Beischlafs – alles und alle lechzen nach Smileys, Daumen hoch, Likes oder was auch immer als Bewertungsraster angeboten wird. Im wöchentlichen Politbarometer erfahren wir, wie unsere Politpromis bewertet werden. Dass nun ausgerechnet ein Verteidigungsminister auf der Beliebtheitsskala weit vorne rangiert, gibt zu denken. Wer hätte das zu Zeiten von Strauß, Scharping, Karl-Theodor zu Guttenberg oder Christine Lambrecht gedacht? Gut, dass Rudi Dutschke das nicht mehr erleben muss. 

Ein Anruf bei meinem Telefonanbieter endet mit der Bitte, ich möge doch die Qualität des Gesprächs bewerten. Wie waren Sie zufrieden mit der Auskunft unserer Mitarbeiterin? Und wehe, du gibst eine schlechte Bewertung ab. Dann folgt die Aufforderung, dein Urteil zu begründen. Keine Fahrt mit der Bahn, keine Hotelübernachtung, keine Bestellung im Internet, ohne die anschließende Aufforderung, die am eigenen Leib erlittene Dienstleistung zu bewerten. Selbst der Klempner (heißt der überhaupt noch so?) will für die ausgewechselte Muffe ein Zufriedenheitszeugnis für seinen Chef. Man mag sich gar nicht vorstellen, was mit Mitarbeiter/innen passiert, die nicht jeden Tag für jeden Furz von Kundinnen und Kunden gute Noten bekommen.

Daher mein Aufruf: Bewertungskritiker/innen aller Länder – verweigert Euch!