Raketen, zum baldigen Verbrauch bestimmt

Pralinen zum Beispiel haben ein Verfallsdatum. Deshalb neige ich persönlich dazu, diese, wenn ich sie geschenkt bekomme, was leider viel zu selten passiert, zum sofortigen Verzehr freizugeben, bevor sie schlecht werden. Wäre echt schade. Im Zusammenhang mit der geplanten Lieferung von Kampfjet-Raketen an die Ukraine, von den Grünen im Bundestag vehement gefordert, war aus der Presse zu erfahren, dass die Dinger ein Verfallsdatum haben: Ende 2025. Danach, so die Erklärung, seien sie nicht mehr zu gebrauchen, weshalb man sie dringend an die Ukraine liefern sollte. What?? Man kennt das von Lebensmitteln, wo ein Haltbarkeitsdatum angegeben ist. Bei Raketen hätte man das nicht erwartet. Lebensmittel soll man ja nicht wegwerfen. Und wie halten wir´s mit Raketen? Der Spontispruch aus den siebziger Jahren erhält damit neue Aktualität: „Keine neuen Atomraketen, bevor die alten nicht verbraucht sind!“.

Nun wäre es ja wirklich schade, die alten Amraam-Raketen, die Deutschland mal von den Amis gekauft hat (Lenkflugkörper ohne Sicht zum Feind, Stückpreis 2 Mio. US-Dollar) und die abgelaufen sind, einfach vor dem Verteidigungsministerium auf den Sperrmüll zu stellen. So eine Ressourcenverschwendung! Zum Glück gibt es sinnvolle Alternativen: In der Ukraine. Dort kann man die alten Raketen noch verballern, und die Bundeswehr braucht sowieso neue. Für den nächsten Krieg. Der kommt bestimmt.

Bleibt noch die Frage, warum wir sowas nicht selber bauen können und von den Amerikanern oder, wie unlängst geschehen, von Israel einkaufen müssen. Ist das nicht peinlich, Frau Strack-Zimmermann? Haben Sie das mal im Förderkreis Deutsches Heer oder in der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik angesprochen, wo sie bis vor kurzem Mitglied waren?


Globale Krisen, regionale Kriege, nationale Katastrophen: Alles wird gut?

In diesem Blogbeitrag geht es um die Zuversicht. Bevor wir aber diesem Thema – man könnte stattdessen auch sagen, der Hoffnung auf eine bessere Zukunft – unsere Aufmerksamkeit schenken, zunächst ein kleiner Ausschnitt aus den Nachrichten dieser Tage. Nicht repräsentativ, aber wem noch etwas Wichtiges fehlt, möge die Darstellung gerne vervollständigen. Auf Quellenangaben verzichte ich. Wer´s nicht glaubt, mag selber recherchieren.

Kriege, Krisen, Katastrophen: Richtet das Anthropozän den Globus zugrunde?

Die Erderwärmung nimmt weiter zu. Der Kampf gegen den Klimawandel scheint aussichtslos. Die Vermüllung der Meere mit Plastikverpackungen schreitet fort. Auch das All ist zunehmend durch Weltraumschrott belastet. Die Ausgaben für Rüstung und die Exporte von Rüstungsgütern waren 2023 so hoch wie noch nie. Kriege und gewaltsame Konflikte nehmen zu. Demokratische Gesellschaftssysteme geraten vermehrt unter Druck. In vielen Ländern etablieren sich nicht demokratisch legitimierte Unrechtsregime. Damit einher gehen Menschenrechtsverletzungen, Verfolgung politisch Andersdenkender, Unterdrückung von Minderheiten. Rechtsextreme Bewegungen sind weltweit auf dem Vormarsch und werden zunehmend salonfähig. Terroristische Gruppierungen überziehen ganze Regionen mit Gewalt, oft in Verbindung mit religiösem Fanatismus. Es sind weltweit wieder mehr Menschen von Hunger betroffen. Der humanitäre Flüchtlingsschutz, eine Errungenschaft der Völkergemeinschaft, wird mehr und mehr abgebaut. Die Länder des globalen Südens fühlen sich von den wohlhabenden Ländern des Nordens getäuscht. Globale Bemühungen um Frieden und Völkerverständigung, um einen Dialog der Kulturen und Religionen, um solidarische und gerechtere Welthandelsbeziehungen finden kaum noch statt.

Und wie steht´s mit der Wohlstandsinsel Deutschland?

Und was unser Land angeht, gäbe es auch viel zu beklagen: In deutschen Kitas und Schulen fehlen 300.000 Erzieher/innen und 160.000 Lehrkräfte. Wir beobachten eine Verrohung der politischen Debattenkultur. Eine allgemeine Politikverdrossenheit macht sich breit, Menschen, die sich politisch engagieren oder Hilfen leisten, werden bedroht und beschimpft. Rechtsextreme Bewegungen und Verschwörungsphantasien finden breite Zustimmung. Dabei scheint die größte Sorge der Deutschen einer geringeren Wirtschaftsleistung und einem damit einhergehenden Wohlstandsverlust zu gelten.

Zuversicht in finsteren Zeiten

Ist das jetzt apokalyptische Schwarzmalerei oder realistische Zustandsbeschreibung unserer Zivilisation? Ja, wir leben in finsteren Zeiten. Die Zukunftsaussichten sind auch alles andere als rosig, sagen die, die sich gerne in Untergangsszenarien suhlen. Es ist schwer, bei der Betrachtung des Zustands der Welt optimistisch zu bleiben. „Zuversicht ist wie ein Muskel – man muss sie schon ordentlich trainieren, um sie in sich zu spüren“ schreibt Thea Dorn in der ZEIT. Wie jetzt? Zuversicht trotz allerdüsterster Aussichten? Aber wer sagt eigentlich, dass der gegenwärtige Zustand der Welt Schlussfolgerungen auf die Zukunft erlaubt?

Ein Apfelbäumchen pflanzen

An dieser Stelle darf ein Hinweis auf das angeblich von Luther stammende Zitat vom Apfelbäumchen nicht fehlen: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“. Darin kommt zum Ausdruck, womit sich die Philosophen aller Zeiten herumgeschlagen haben, nämlich mit der Frage, ob die Zukunft offen oder vorhersagbar ist – letzteres können nach Karl Popper nur falsche Propheten behaupten.  Und was würde Kant, der vor 300 Jahren geboren wurde und immer noch für alles Mögliche herhalten muss, dazu sagen? Don´t worry, be happy? Weil ich es bis heute nicht geschafft habe, Kant zu lesen, geschweige denn zu verstehen, zitiere ich lieber einen zeitgenössischen Philosophen, der auch noch so ähnlich heißt wie ich und der sich für mein intellektuelles Niveau verständlich ausdrückt: Paul Liessmann. Er hat in einem Vortrag zum Thema: „Alles wird gut – Zur Dialektik der Hoffnung“ ein paar schlaue Sachen gesagt: „Auch wir beginnen deshalb mit einer alten Weisheit. Dum spiro spero – Solange ich atme, hoffe ich. Diese Sentenz gehört wahrscheinlich zu den meist zitierten Sätzen der Antike, sie wird gemeinhin Marcus Tullius Cicero zugeschrieben.“ Und weiter meint Liessmann: „Hoffen bedeutet, daran zu glauben, dass das Unwahrscheinliche gegen alle empirischen und vernünftigen Gründe dennoch eintreten könnte. Oder umgekehrt: Wie oft hoffen wir, dass Ereignisse, die allen Beobachtungen und Berechnungen nach wahrscheinlich eintreten werden, dann doch ausbleiben“. 

Zuversicht als Grundhaltung

Wenn uns diese Grundhaltung der Zuversicht und der Hoffnung fehlt, wenn wir nicht mehr daran glauben, dass eine bessere Zukunft möglich ist, wozu dann noch Anstrengungen unternehmen, um das Klima zu schützen, den Frieden zu suchen, Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, Notleidenden zu helfen? Wozu dann das Apfelbäumchen pflanzen? Die Kraft, für eine bessere Welt zu kämpfen, kann nur aufbringen, wer optimistisch in die Zukunft schaut. Dietrich Bonhoeffer hat das in einem Brief aus der Nazi-Haft so formuliert: „Optimismus ist in seinem Wesen keine Ansicht über die gegenwärtige Situation, sondern er ist eine Lebenskraft, eine Kraft der Hoffnung, wo andere resignieren, eine Kraft, den Kopf hochzuhalten, wenn alles fehlzuschlagen scheint, eine Kraft, Rückschläge zu ertragen, eine Kraft, die die Zukunft niemals dem Gegner lässt, sondern sie für sich in Anspruch nimmt“.

„Bleiben sie zuversichtlich“ – mit dieser Aufforderung an sein Publikum beendet der ARD-Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni die abendliche Nachrichtensendung. Dem schließe ich mich gerne an:

Bleiben wir zuversichtlich!


Sieben humanitäre Helfer in Gaza getötet: Tragischer Zwischenfall?

Die israelische Regierung hat im Zusammenhang mit den sieben getöteten Helfern der Hilfsorganisation World Central Kitchen von einem „tragischen Zwischenfall“ und einem „schweren Fehler“ gesprochen. Dem muss widersprochen werden. Es war weder ein tragischer Zwischenfall noch ein schwerer Fehler. Lt. UN wurden bisher mehr als 180 humanitäre Helfer im Verlaufe des Gaza-Krieges getötet. Es ist die Logik eines Krieges, der solche „Kollateralschäden“ bewusst in Kauf nimmt. Es ist die Logik einer Kriegsführung, die das humanitäre Völkerrecht missachtet, das zum Beispiel verlangt, dass die militärischen Notwendigkeiten bei der Kriegsführung das Prinzip der Menschlichkeit nicht außer Acht lassen dürfen. Dazu gehören u.a. der Schutz der Zivilbevölkerung und der humanitären Hilfsorganisationen.  Der gleiche Vorwurf der Nichtbeachtung des humanitären Völkerrechts richtet sich an die Hamas. Seit dem brutalen Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 und der Ermordung von 1.200 schutzlosen Menschen in Israel führt das israelische Militär einen erbarmungslosen Krieg gegen die Hamas in Gaza. 30.000 Menschen wurden dabei bisher getötet. Alles Hamas-Terroristen? Wohl kaum. Ja, Israel hat das Recht, sich zu verteidigen. Aber so?

Die wenigen Bilder, die unsere Nachrichten erreichen, zeugen von unermesslichem Leid der Zivilbevölkerung in Gaza, von flächendeckender Zerstörung, von Krankenhäusern, die nur noch Ruinen sind. Weil die Versorgungsstrukturen zusammengebrochen sind und zu wenig Nahrungsmittel nach Gaza gelangen, sterben Menschen an Hunger. Der Abwurf von Nahrungsmitteln aus der Luft, an dem sich auch die deutsche Bundeswehr beteiligt, ist angesichts der herrschenden Not ein fragwürdiges und ungeeignetes Unterfangen, weil die Hilfe so nicht bei denjenigen ankommt, die sie benötigen. Hilfsorganisationen kritisieren zu Recht, dass davon nur die Starken und Rücksichtslosen am Boden profitieren. Wer es schafft, abgeworfene Hilfsrationen zu ergattern, verkauft diese zu überhöhten Preisen auf dem Markt.

Dabei könnte man längst wissen: Schon während des Afghanistankrieges waren die airdrops, die Lebensmittelabwürfe aus der Luft, höchst umstritten. Nicht nur, weil die Pakete mit Propagandabotschaften des amerikanischen Militärs versehen waren, sondern auch, weil die gelben Päckchen der im Krieg gegen die Taliban eingesetzten Streumunition zum Verwechseln ähnlich sahen. Und weil das humanitäre Prinzip, dass die Hilfe nach der Bedürftigkeit der Notleidenden zu verteilen ist, damit nicht eingehalten werden kann. Zudem ist diese Art der Versorgung mit Hilfsgütern unvergleichlich teurer als über den Land- oder Seeweg.

Dabei könnte bei etwas gutem Willen aufseiten der israelischen Regierung die Versorgung mit humanitären Gütern auf dem Landweg sichergestellt werden. So aber nimmt man in Kauf, dass Menschen, die vor den Kriegshandlungen und Bombardierungen fliehen, nun an Hunger, Krankheiten und Erschöpfung sterben.

Während der Balkankriege in den 90er Jahren, aber verstärkt während des Nato-Einsatzes in Afghanistan, haben Hilfsorganisationen davor gewarnt, humanitäre Hilfe und militärische Operationen miteinander zu verknüpfen. Zivilmilitärische Zusammenarbeit hieß das, oder – euphemistischer und in der Diktion der Militärs – „vernetzte Sicherheit“. Damit war und ist ein Konzept gemeint, das humanitäre Hilfe und militärisches Handeln verknüpft, um Sicherheit herzustellen und zu gewährleisten. Zentraler Punkt der Kritik an diesem Konzept war und ist, dass humanitäre Hilfe – die prinzipiell unabhängig und neutral sein muss – und militärische Aktion nicht mehr unterscheidbar sind. Erst recht, wenn Militärs selbst als humanitäre Helfer agieren. Letztlich führt dies zu einer Gefährdung der humanitären Hilfsorganisationen und ihres Personals. Genau das ist nun in Gaza passiert, und es passiert an anderen Kriegsschauplätzen der Welt. Die Deklaration als „tragischer Zwischenfall“ ist irreführend.

Hinweis: Näheres zur Problematik der zivil-militärischen Kooperation in dem von mir mitherausgegebenen „Handbuch Humanitäre Hilfe“.


Lustige Kriegspropaganda im Kinderkanal: Ich bin ein (M)Arschflugkörper, hahaha!

Wir haben begriffen: Deutschland muss kriegstauglich werden! So der vorherrschende, wenig widersprochene Tenor in Medien, Talkshows, Bundestagsdebatten. Und hallo, ihr lieben Kleinen: Das gilt auch für euch!! Wenn Mama schon mal Notvorräte im Keller anlegt und Papa im Garten einen Schutzbunker baut, wenn Oma und Opa an die Bundeswehr spenden statt an Brot für die Welt oder Caritas, dann könnt ihr nicht weiter mit eurer Playmobil-Feuerwehr oder eurem Barbie-Modepüppchen spielen, als wenn nichts wäre. Nein: Jetzt wird aufgerüstet! Kriegsspielzeug gehört wieder in alle Kinderzimmer! Endlich dürft ihr wieder „Peng, du bist tot“ spielen, ohne dass die Kita-Tante im Stuhlkreis wieder gewaltfreie Kommunikation mit euch übt. Ihr dürft wieder im Sandkasten Krieg spielen und die Sandburg der blöden Susi zerstören. Abends vor dem Schlafengehen gibt es dann statt Sandmännchen im ZDF-Kinderprogramm „logo!“ dieses lustige Video über die „krasse Reichweite des Taurus-Marschflugkörpers“:

So schafft man kindgerechte Medienkompetenz, wie Günter Herkel in einem am 7. März bei verd.i veröffentlichen Artikel über Die „Militarisierung der Medien“ süffisant schreibt.

https://mmm.verdi.de/meinung/die-militarisierung-der-medien-95557

Kindersendungen als Kriegspropaganda: Soweit sind wir also schon. Wer nicht in den allgemeinen Sound der Kriegsrhetorik – „mehr Waffen, bessere Waffen, mehr Munition, damit die Ukraine den Krieg gewinnt“ – einstimmt, wird als Putin-Versteher diffamiert oder als realitätsferner Pazifismusträumer belächelt. In der kürzlichen Bundestagsdebatte über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern hat es der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich gewagt zu sagen, man möge doch nicht nur darüber nachdenken, wie man einen Krieg führt, sondern auch, wie man ihn einfrieren und danach beenden könnte. Das brachte ihm nicht nur verständnisloses Kopfschütteln von Außenministerin Annalena Baerbock ein, sondern auch eine üble Beleidigung durch den ukrainischen Ex-Botschafter und heutigen Stellvertreter des ukrainischen Außenministers Andrij Melnyk, der Mützenich als den „widerlichsten Politiker Deutschlands“ bezeichnete.

Herr Melnyk: Sie sind offenbar nicht der kompetenteste Politiker der Ukraine.





















Sign my rocket. Oder: Wie wir lernen, die Bombe zu lieben

Schon gemerkt? Politiker gefallen sich zunehmend darin, Raketen, Haubitzen, Panzerkanonen zu streicheln. Und wir wollen hier nicht mit dem lächerlichen „Phallus-Symbol“-Hinweis kommen. Vielleicht im Falle von Putin, ok.

Mit glänzenden Augen ehrfurchtsvoll bei Rheinmetall glänzende Geschosse berühren – wie sich das wohl anfühlt? Der Kanzler tut es, die Grünen tun es, die FDP sowieso. Die CDU natürlich auch. Die SPD weiß noch nicht so recht, Saskia Esken und Rolf Mützenich sind dagegen, die Linke ist dagegen, die AfD auch. Der Kanzler neulich in seiner Videobotschaft: „Die wichtigsten Waffensysteme und vor allem auch Munition müssen kontinuierlich vom Band laufen.“ Der Grüne Anton Hofreiter (der fesche Toni mit der 60er-Jahre-Frisur) und die FDP-Tante und Talkshow-Königin MAS (man möchte den Namen eigentlich nicht mehr hören, aber sie quatscht einfach in jedes Mikro, das man ihr hinhält oder das einfach nur rumsteht): Die Beiden jedenfalls fordern in trauter Zweisamkeit den Taurus für die Ukraine.

Die zentrale Frage der Talkshows lautet in diesen Tagen: Butter oder Kanonen? Meinetwegen auch „Rente oder Rüstung“, um nicht den Nazisprech von Goebbels zu benutzen. Damit wir die nötige Aufrüstung finanzieren können, müsse der Sozialstaat Leistungen kürzen. Das meinte Clemens Fuest, Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts IFO, kürzlich bei Maybrit Illner. Der Finanzminister freut sich und haut in der gleichen Sendung in die gleiche Kerbe: Die Sozialleistungen müssen für drei Jahre lang eingefroren werden. Böse Zungen behaupten, für Lindner sei der Ukrainekrieg willkommener Anlass, Sozialleistungen in Frage zu stellen. Die sollen mal arbeiten gehen! Leistung muss sich wieder lohnen! Lindner hat seinen ersten Porsche doch auch mit 20 gekauft! Auch Kanzler Scholz verkündet, dass wir, um den Wehr­etat zu finanzieren, an anderer Stelle kürzen müssen.

Also Umverteilung vom Sozialetat in den Rüstungshaushalt? Weil beides – hohe Sozialleistungen und Aufrüstung – nicht gleichzeitig finanzierbar sei? Die TAZ  bestreitet diese Annahme und schreibt am 26.02.24 unter der Überschrift „Angriff auf den Sozialstaat“: „Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich Aufrüstung und Sozialstaat nicht gegenseitig ausschließen müssen. Im Kalten Krieg gab die BRD für den Wehretat zu Spitzenzeiten fast 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Trotzdem wurde damals der Sozialstaat rapide ausgebaut. Es ist offensichtlich also möglich, sowohl einen aufgeblähten Militärapparat als auch einen starken Sozialstaat zu finanzieren, ohne dass wir bluten müssen.“

Wir wissen nicht, wer recht hat: Clemens Fuest oder die TAZ. Ob also die für notwendig erachtete militärische Aufrüstung nur durch Kürzungen im sozialen Bereich möglich sein wird. Wenn das so kommen sollte, dann kann allen Empfängern von Sozialleistungen (in besseren Kreisen auch „Harzer“ genannt) nur empfohlen werden, statt ihr Geld für Schnaps und Zigaretten zu verjubeln, Aktien des Rüstungsherstellers Rheinmetall, dem TOP-Performer unter den DAX-Konzernen, zu kaufen.

Was ich persönlich an der Debatte vermisse, sind kreative Ideen, wie die Aufrüstung finanziert werden könnte, ohne die Sozialleistungen zu kürzen. Etwa durch neue Formen des bürgerschaftlichen Engagements! Die Bundesregierung könnte patriotisch gesinnten Bürgerinnen und Bürgern eine Beteiligung an der Aufrüstung ermöglichen, indem man etwa für die Patenschaft an einer persönlich signierten 155-Millimeter-Artilleriegranate die Kosten übernimmt – Stückpreis so um die 8.000 Euro. Das ist sogar für Harzer, wenn sie sich zu einer Gruppe zusammenschließen („Wir unter der Brücke“?), machbar. Wer will, kann auch mehrere Granaten bezahlen. Und wer ganz viel Kohle hat, könnte auch einen kompletten Kampfpanzer oder einen Taurus mit persönlicher Widmung finanzieren!

Boris Pistorius kann auf der Skala der beliebtesten Politiker zwar nicht mehr weiter aufsteigen. Aber Lindner, Scholz, Baerbock, Wagenknecht, Hofreiter und MAS könnten mit diesem Angebot ihre Popularität in ungeahnte Höhen treiben! Denkt mal drüber nach, Leute – bald sind wieder Wahlen!

PS: In einem früheren Beitrag auf diesen Blog hatten wir darauf hingewiesen, dass die Amerikaner uns kreativitätsmäßig mal wieder voraus sind: Über die Internetseite „Sign my rocket
kann gegen eine Spende eine Artilleriegranate mit einer persönlichen Botschaft an die russischen Invasoren versehen werden: „Send your message to the russian invaders …You have a chance to send a greeting to orcs with your text written on an artillery shell. You will receive a photo a signed shell with your ordered text.“

Geht doch!


`S ist leider Krieg – und ich begehre nicht schuld daran zu sein

… so Matthias Claudius in seinem Kriegsgedicht von 1778. Und wir? Wie steht es mit unserer Unschuld an den Kriegen dieser Tage? Dabei meint das „wir“ hier nicht den eher unwahrscheinlichen Fall einer individuellen schuldhaften Verstrickung. Niemand von „uns“ ist für den Krieg, wir lehnen ihn ab, wir wünschen, dass endlich Friede sei. Wenn schon nicht Frieden, dann wenigstens Waffenstillstand. Niemand von uns greift zur Waffe und kämpft mit. Vielleicht sind wird indirekt beteiligt, weil unsere Wertpapierfonds gerade kräftig zulegen? Profitiert mein angeblich nachhaltiger Fonds etwa doch vom Krieg, weil Teile davon bei Rüstungsunternehmen angelegt sind (lässt sich leicht nachprüfen auf der Internetseite Faire Fonds)? Wer damit kein Problem hat – Kriegsgewinnler hin oder her – der möge seine Ersparnisse gleich komplett beim Rüstungsunternehmen Rheinmetall anlegen. Dessen Aktien schießen – man verzeihe mir dieses alberne Wortspiel – gerade durch die Decke. Seit der deutsche Panzerbauer ein neues Werk zur Herstellung von Artilleriemunition in der Ukraine plant – das war jüngst bei der Münchener Sicherheitskonferenz zu erfahren – ist die Aktie auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Während in diesen Tagen die Wachstumsprognosen für die deutsche Wirtschaft eher schlecht sind, trifft das für die Rüstungsindustrie nicht zu. „Frieden schaffen mit mehr Waffen“ – das scheint die allgemein akzeptierte Rechtfertigung dieser Tage zu sein, und sie geht quer durch Parteien, Kirchen und Wirtschaftsverbände. Wenn das so ist, dann wird der Kauf von Aktien der Rüstungsindustrie geradezu, weil Frieden schaffend, zur moralischen Verpflichtung.

Es ist leicht, gegen den Krieg zu sein. Wir sehnen uns nach Frieden und danach, am Krieg nicht schuld zu sein. Wir sitzen auf dem Sofa und würden am liebsten abschalten, wenn das Kriegsgeschehen wieder die Nachrichten beherrscht. Wir schütteln den Kopf über die zunehmende und aggressiver werdende Kriegsrhetorik in Politikerstatements und in den Talkshows. „Wir müssen kriegstauglich werden – aber leider wird das erst in fünf Jahren möglich sein …“ Es wird aufgerüstet, und das nicht nur verbal. Die Regierung will mehr Geld fürs Militär, es werden neue Rüstungsbetriebe eingeweiht, wir entsenden Kriegsschiffe in Krisenregionen.

Wir beteiligen uns am NATO-Manöver Quadriga 2024, dem größten seit dem Ende des Kalten Krieges. Vorbei die Zeiten des „Nie wieder Krieg“, als 1949 selbst ein Franz-Josef Strauß im Bundestag verlautete: „Wer noch einmal eine Waffe in die Hand nimmt, dem soll die Hand abfallen.“

Darüber, warum das friedliche Zusammenleben der Völker immer wieder durch neue Kriege unmöglich gemacht wird, haben sich seit dem Altertum Philosophen, Theologen, Historiker, Militärs, Politiker und Psychologen Gedanken gemacht. Sozialpsychologen wie Erich Fromm versuchten, die Ursachen von Kriegen in der Natur, in der Psyche des Menschen zu suchen. Also bei uns selbst? Die Bösen, das sind ja erst einmal die anderen, die autoritären Führer, die um des eigenen Machterhalts willen Krieg gegen das eigene Volk führen, die Kriegstreiber und Aggressoren im Kreml, die Gräueltäter und Vergewaltiger der Hamas, die gewalttätigen Siedler in der Westbank, die Scharfmacher in der israelischen Regierung, die am liebsten alle Palästinenser aus Gaza vertreiben wollen.

Der Überfall Russlands auf die Ukraine jährt sich heute zum zweiten Mal. Ist es da nicht wohlfeil, gegen den Krieg zu sein und Gewaltlosigkeit zu predigen? Die Friedensbewegung, der ich mich zugehörig fühle, ist sich uneins in der Frage, ob die Ukraine mit Waffen unterstützt werden soll. Wie mit dem Dilemma leben, dass die Gewalt der Aggressoren mit friedlichen Mitteln nicht aufgehalten werden kann? „`S ist leider Krieg – und ich begehre nicht schuld daran zu sein“. Trotz alledem bleibt auch diese Aussage richtig: „Ich mahne unablässig zum Frieden; dieser, auch ein ungerechter, ist besser als der gerechteste Krieg“ (Cicero, römischer Politiker und Philosoph, 106 v. Chr. – 43 v. Chr.).


Das Schlimmste ist die Gleichgültigkeit

Dieser Text knüpft an das Thema meines letzten Blogbeitrags an („Aufstehen gegen den rechten Sumpf“) und stellt die Frage: Wie umgehen mit den vielen schlechten Nachrichten, die uns in diesen Tagen bedrücken? Es ist ja nicht allein das erschreckende Wiedererstarken des Rechtsextremismus. Russland bombardiert unvermindert zivile Ziele in der Ukraine. In Gaza wurden, nach dem entsetzlichen Massaker der Hamas in Israel, seit Beginn der israelischen Militäroffensive zwei Drittel der Häuser zerstört, 1,7Millionen Menschen (80 % der Bevölkerung) vertrieben, mehr als 27.000 getötet, darunter überwiegend Frauen und Kinder. Lt. UNICEF haben mindestens 17.000 Kinder ihre Eltern verloren und sind alleine auf der Flucht. Die humanitäre Katastrophe, die sich in Gaza abspielt, übersteigt jedes Vorstellungsvermögen. Und dann wären da noch die Kriege und Gewaltkonflikte im Jemen, in Myanmar, in Mali, im Sudan, in Somalia …

Wie also umgehen mit schlechten Nachrichten? Abschalten? Wegschauen? Ignorieren?  Nachrichtenmüdigkeit („news fatigue“) scheint gerade unter jungen Menschen zuzunehmen. Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen plädiert für die richtige Dosierung zwischen engagierter Anteilnahme am Weltgeschehen und Abgrenzung durch gezielte Auswahl von guten Nachrichtenquellen. Auf ZEIT online erscheint jede Woche neu die Rubrik „Nur gute Nachrichten und Inspirierendes zum Wochenende“. Ich mach mir die Welt widdewidde wie sie mir gefällt?

Viele Menschen, sofern sie nicht schon in resignative Gleichgültigkeit verfallen sind, fühlen sich verantwortlich, aber gleichzeitig ohnmächtig angesichts von Krieg, Umweltzerstörung, sozialer Ungleichheit, Diskriminierung von Minderheiten, rechtsextremistischen Parolen. Gemeinsam mit Gleichgesinnten auf die Straße gehen, seiner Empörung über gesellschaftliche Missstände Ausdruck verleihen kann helfen, wenn schon nicht die Missstände selbst aus der Welt zu schaffen, so doch aktiv zu werden und die empfundene Ohnmacht für eine kurze Zeit zu überwinden.

Der französische Widerstandskämpfer Stéphane Hessel hat mit seinem 2010 erschienen Essay „Indignez-vous! (Empört Euch!) zum politischen Widerstand aufgefordert: Gegen die Diskriminierung von Ausländern, gegen den Finanzkapitalismus, gegen soziale Ungerechtigkeit, gegen eine verfehlte Umweltpolitik, gegen die israelische Besatzungspolitik in den besetzten Gebieten. Wir wissen nicht, welche Anlässe zur Empörung Hessel heute nennen würde, wenn er noch lebte: Den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine? Das Erstarken des Rechtsextremismus in Europa? Die unterschiedslose Kriegsführung Israels gegen die Hamas und die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen? Die Unterdrückung der Opposition in Russland? Die wachsende Kluft zwischen Armut und Reichtum? Die Waffenlieferungen an die Ukraine?

Hessel war sich bewusst, dass die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse komplex sind und dass es keine einfachen Lösungen gibt. Gleichgültigkeit gegenüber den herrschenden Verhältnissen sei jedoch „das Schlimmste, was man sich und der Welt antun“ könne (Stéphane Hessel: Empört Euch! Ullstein Verlag 2011, S. 13). Gewarnt sei an dieser Stelle vor einer möglichen Verwechslung mit den so genannten „Wutbürgern“, jene vornehmlich gutbürgerlichen konservativen Personengruppen, die sich lautstark gegen unliebsame politische Entscheidungen richten und sich dabei nicht scheuen, mit rechtsextremen Gruppierungen zu marschieren und „wir sind das Volk“ oder „Lügenpresse“ zu gröhlen.

Über den Zorn, das Böse und die Habgier hat der Kabarettist Georg Schramm in einer – wie ich finde – Sternstunde des deutschen Kabaretts erklärt, dass der Zorn nicht mit der Wut verwechselt werden sollte. „Die Wut“, so Schramm, „ist die unbeherrschte zügellose Schwester des Zorns“. (Den Auftritt von Schramm kann man hier in voller Länge anschauen).

Mit dem Zorn und der Empörung gilt es allerdings sparsam umzugehen. Eine inflationäre Empörungsökonomie, bei der jede noch so banale Angelegenheit hysterische Schnappatmung erzeugt, führt dazu, dass die sich Empörenden nicht ernst genommen werden.Mein Zug ist schon wieder verspätet?  In Paris wird das Parken für SUVs richtig teuer? Superstar Taylor Swift kann mit ihrem Privatjet nicht zum Super Bowl fliegen, weil alle Parkplätze für Flugzeuge in der Umgebung belegt sind?

Hessel Aufruf „Empört Euch“ ist heute noch aktuell. Anlässe, die unsere Empörung und unseren Widerstand verdient haben, muss man nicht lange suchen. Hier meine persönlichen Empörungsempfehlungen der Woche: „In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein“, und: „EU-eigene Atombomben im Gespräch“.


Krieg in Nahost: „Kein Frieden ohne einen unabhängigen Palästinenserstaat“

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hat es auf den Punkt gebracht: „Es wird keinen Frieden in Nahost geben ohne die Einrichtung eines unabhängigen Palästinenserstaates auf der Basis der Grenzen vor 1967 und die Nutzung Jerusalems als Hauptstadt von Israel und von Palästina“. Asselborn ist lange genug im Amt, um zu wissen, dass dieses Ziel an eine Reihe von Voraussetzungen geknüpft ist, wie zum Beispiel die Anerkennung des Existenzrechtes von Israel durch die arabische Welt und eine Ende des gegen Israel gerichteten Terrors, aber auch das Ende der Besatzung weiter Teile des Westjordanlandes und ein Abzug der illegalen, völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen.

Diese Lösung, die sogenannte „Zweistaatenlösung“, die mit dem Osloer Abkommen von 1993 in greifbare Nähe gerückt war, scheint gegenwärtig durch den grausamen Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel und die militärische Reaktion Israels mit Raketen auf Gaza und der vollständigen Blockade des Palästinensergebiets in weite Ferne gerückt. Sie war schon 1947 durch die Vereinten Nationen in ihren Teilungsplan vorgezeichnet und galt lange als der einzige Weg zu einer friedlichen Koexistenz zu kommen.

Vielleicht könnte aber gerade die gegenwärtige Eskalation des Konfliktes und der erneute Ausbruch der Gewalt dazu führen, die Zweistaatenlösung wieder ins Gespräch zu bringen? Die deutsche Außenministerin Analena Baerbock spricht sich zwar für die Zweistaatenlösung aus, lehnt aber einen humanitären Waffenstillstand, wie von UN-Generalsekretär Guterres und einigen europäischen Staaten wie Spanien, Slowenien und Irland gefordert, ab. Baerbock gestern beim europäischen Außenministertreffen in Luxemburg: „Es wird nur Frieden und Sicherheit für Israel und die Palästinenserinnen und Palästinenser geben, wenn der Terrorismus bekämpft wird“. Das muss kein Widerspruch zur Aussage ihres luxemburgischen Kollegen Asselborn sein. Es wäre aber wohltuend, auch von deutscher Seite solche klaren Worte – adressiert an die israelische Regierung – zu hören, statt der wiederkehrenden, aber nebulösen Floskel von der Sicherheit Israels als „deutsche Staatsräson“.

PS: Ich möchte in diesem Zusammenhang auf das in einem früheren Blogbeitrag bereits besprochene Buch von Muriel Asseburg hinweisen: Palästina und die Palästinenser. Eine Geschichte von der Nakba bis zur Gegenwart. C.H. Beck, München 2021. Es lohnt sich, gerade in diesen Tagen die Geschichte Palästinas nachzulesen und die Ursachen für die gegenwärtige Gewalteskalation zu verstehen.


Daba daja yippie yippie yeah: Friedensnobelpreis für Hornbach-Baumärkte?

Es geht das Gerücht, dass die Firma Hornbach (die mit dem „daba daja yippie yippie yeah“) Anwärterin für den diesjährigen Friedensnobelpreis ist. Hä? Eine Baumarktkette? 2013 ging der Preis an die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Warum dann nicht 2023 für den „HORNBACH-Hammer“, ein nachahmenswerter Vorschlag für die Konversion von Kriegsgerät in eine friedliche Nutzung, wie hier gezeigt wird:

Man stelle sich vor: All das weltweit produzierte Kriegsgerät – Waffen, Raketen, Granaten, Panzer, Kampfflugzeuge, Schiffe, U-Boote – muss ja nach Gebrauch entsorgt werden. Besser wäre freilich, es würde vor dem Gebrauch entsorgt oder gar nicht erst hergestellt. In Deutschland werden fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges immer noch Bomben gefunden! Was passiert mit den im Ukrainekrieg abgeschossenen Granaten, mit den zerstörten Panzern, mit den Fahrzeugen, Haubitzen, usw.? So viele Hämmer kann selbst Hornbach nicht produzieren.

Für den diesjährigen Friedensnobelpreis sind insgesamt 305 Kandidatinnen und Kandidaten vorgeschlagen worden, darunter 212 Einzelpersonen und 93 Organisationen. Anfang Oktober werden wir erfahren, wem der Preis dieses Jahr verliehen wird: Greta Tunberg? Donald Trump? Elon Musk? Falls die Wahl auf Hornbach fällt, wird man es hören:

Daba daja yippie yippie yeah!


Entrüstung bei der Rüstungsindustrie: Bund verfehlt das Zwei-Prozent-Ziel. Weihnachtsleckereien werden teurer

Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik hat einen – nicht nur feministischen – Kurswechsel vollzogen. Seit der scholzigen „Zeitenwende“ müssen wir braven Medienkonsumenten täglich und voller Staunen neue Details über militärisches Gerät lernen: Was ist eine Panzerhaubitze, welche Rakete wie weit fliegt, welcher Panzer wo repariert wird,

FOTO: FEDERICO GAMBARINI (DPA)

wer welche Kampfflugzeuge liefert bzw. warum nicht und was Marie-Agnes Strack-Zimmermann dazu meint. Die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Verteidigung, das wissen wir inzwischen, ist unbedingt für mehr Waffen. Und das hat natürlich nichts zu tun mit ihrer engen Verflechtung mit der Rüstungsindustrie und deren Interessenverbänden (Mitglied im Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik sowie beim Förderkreis Deutsches Heer). Und dass ein Verteidigungsminister die Beliebtheitsskala der Politiker in Deutschland anführt, hätten sich Christine Lambrecht oder Karl-Theodor zu Guttenberg auch gewünscht.

Endlich darf wieder ohne Scham über Aufrüstung gesprochen werden. Der Ukraine-Krieg macht´s möglich. 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, zusätzlich zu einem regulären Jahresetat für Verteidigung von 51,8 Milliarden (Sollwert 2024). Darüber sollte sich die Rüstungsindustrie eigentlich freuen. Jahrelang musste sie darben und mit dem Slogan werben „Keine neuen Raketen, bevor die alten nicht verbraucht sind“. Trotzdem jammert Herr Atzpodien, Vorsitzender des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV): „Meine Sorge bezieht sich auf die Zeit nach 2026, wenn das Sondervermögen verbraucht sein wird. Ohne die von Minister Pistorius vergeblich geforderte kräftige Erhöhung des regulären Verteidigungsetats um zehn Milliarden Euro und mehr pro Jahr werden wir ab 2027 das Zwei-Prozent-Ziel erneut verfehlen“. (lt. Badische Zeitung vom 21.08.23)

Atzpodien fordert unsere Gesellschaft auf, deutlich mehr Geld als bisher für die Bundeswehr bereitzustellen. Wo man das einsparen soll, sagt er nicht. Beim Sozialetat? Entwicklungshilfe? Klimaschutz? Bildung und Forschung?

Nicht nur um unsere Sicherheit, sondern auch um unseren Wohlstand müssen wir uns Sorgen machen. Dazu diese Schreckensmeldung des Bundesverbands der Deutschen Süßwarenindustrie: „Für Lebkuchen, Stollen und andere Weihnachtsleckereien könnten die Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Jahr mitunter mehr zahlen müssen. Die seit Beginn des Ukraine-Krieges stark gestiegenen Rohstoff- und Energiekosten belasten … die Unternehmen in der Branche …Manche unserer Zutaten haben sich auch in diesem Jahr im Preis noch mal fast verdoppelt“. (BZ 21.08.23)

Auch dafür muss also der Ukrainekrieg herhalten. Für die  Friedensbewegung wiederum, die es in diesen waffenstrotzenden Zeiten schwer hat, könnten die unterschiedlichen Interessen von Rüstungs- und Süßwarenindustrie zu einem neuen Slogan führen: „Frieden schaffen ohne Waffeln“ (Für diesen Kalauer bitte ich schon mal vorab um Entschuldigung).