In eigener Sache: Was gibt´s Neues vom Blog?

Rund zweieinhalb Jahre gibt es diesen Blog. Deshalb heute mal eine kleine Zwischenbilanz und Hinweise auf Neuerungen.

Huch, was ist da jetzt anders?
Erstens: Wer bisher per Mail über einen neuen Beitrag auf meinem Blog informiert wurde, müsste es bemerkt haben: Statt des ganzen Textes gibt es jetzt nur einen „Teaser“, einen „Anreißer“, der neugierig machen soll auf den ganzen Beitrag. Ein Klick auf „Mehr von diesem Beitrag lesen“ führt dann auf die Blogseite. Man kann die Ankündigungsmail auch einfach löschen (don´t you dare!!!). Ich muss mir einfach gute Überschriften ausdenken, die Lust auf mehr machen.

Zweitens: Apropos Überschriften: Wie „strong“ ist das denn? Aufmerksame Leser*innen werden bemerkt haben, dass bei zwei kürzlichen Blogbeiträgen die Überschrift eingerahmt war von Formatierungen: <strong>Hast du speed bist du high</strong>. Ich habe keine Ahnung, wie das da reinkommt und hoffe, den Fehler bald zu beseitigen.

Nicht jeder Beitrag ist literaturpreiswürdig

So etwa der Letzte: „Hast du speed bist du high“. Das war Kokolores, gehobener Schwachsinn, einfach zu unhabermasisch. Gleichwohl: Ein Test auf dem Blablameter ergibt selbst für diesen seichten Text einen Bullshit-Index von lediglich 0,16 („Ihr Text zeigt nur geringe Hinweise auf `Bullshit´-Deutsch“). Wenigstens das.

Kommentare sind willkommen

Aber nicht jede/r will sich gerne öffentlich äußern. Das verstehe ich. Und dann bekomme ich immer wieder mal die Rückmeldung, dass ein Kommentar nicht gepostet werden konnte, weil man sich dafür bei WordPress anmelden muss. Das ist blöd. Vielleicht hat jemand einen Tipp, wie es auch ohne WordPress-Account geht?

Und dann: Worüber also soll ich schreiben?

Vielleicht teilt Ihr meine Abneigung gegen die grassierende Feedbackeritis. Überall soll ich bewerten, wie zufrieden ich mit einer Leistung war. Das nervt. Natürlich wüsste ich gern, wie Du oder Sie als Follower den Blog insgesamt bewertest. Was interessiert, welche Inhalte, welche Themen? Zu viel, zu wenig Beiträge? Nicht so viel Satire, nicht so viel Blödelei, lieber Ernstes, Nachdenkliches?

Wie man hört, hat Donald Trump im Mai letzten Jahres einen Blog begonnen: From the desk of Donald J. Trump. Hat bloß kein Schwein interessiert, weshalb er den Blog schon bald wieder aufgegeben hat. Der Mann braucht Aufmerksamkeit. Das kann ich gut verstehen. So ähnlich geht es mir auch. Wenn der Applaus der Masse ausbleibt, geht die Lust am Bloggen leicht verloren. Die meisten Blogger*innen erleben früher oder später diese Sinnkrise: Keine Sau liest meine doch so wahnsinnig tollen und wichtigen Beiträge. Die Frage, ob ich als Blogger lediglich meine narzisstische Persönlichkeitsstörung auslebe oder der Welt Wichtiges mitzuteilen habe (oder beides?), haben sich viele Betreiber*innen eines Blogs sicher schon mal gestellt. Wer sich in der Bloggerszene ein wenig umschaut, wird schnell erkennen: Es tummeln sich dort unzählige Welterklärer, Schönerlebenempfehler, Kosmetik-, Koch- und Gartenratgeber, usw. Von Computerblogs über Funnyblogs, Gourmetblogs, Hobbyblogs, Kultur, Glamour, Literatur, Medizin, Reise bis zu „Nachhaltig Haarewaschen“. Es sind tausende allein im deutschsprachigen Raum. Jede und jeder kann seinen eigenen Blog starten und die Welt beglücken mit harmlosen Belanglosigkeiten, rechtem Verschwörungsgeschwurbel oder guten Literaturtipps. Die Chancen, zur Kenntnis genommen zu werden, verringern sich allerdings in dem Maße, wie die Anzahl der Blogs zunimmt. Schließlich will jede und jeder zur Kenntnis genommen werden. Die Droge des Bloggers/der Bloggerin sind die Aufrufe, die Klicks, die Follower. Ab einer signifikanten Zahl von Followern kann man damit auch Geld verdienen, indem man Werbeanzeigen auf seiner Seite einbindet. Das ist mir allerdings bisher noch nicht gelungen, obwohl ich mehrfach die Zeitschrift „Beef“ lobend erwähnt habe, ebenso wie die Apothekenumschau, die „Autotuning“ und den Verband der Deutschen Geflügelzüchter.

Zum Schluss noch etwas Statistik:

Zum Start meines Blogs am 8. März 2020 habe ich an einen Kreis von Freunden und Bekannten geschrieben: Ich lade Euch ein, meinen neuen Blog zu besuchen: www.juergen-lieser.de und freue mich, wenn Ihr den Block abonniert (kostet nix, tut nicht weh, ist nicht ansteckend). Warum ich – im 8. Lebensjahrzehnt – zum Blogger werde, könnt Ihr dort nachlesen. Über Kommentare freue ich mich. In diesen Tagen, wo das öffentliche Leben mehr und mehr zum Erliegen kommt und empfohlen wird, soziale Kontakte auf das absolut notwendige Maß zu beschränken, ist dies zumindest eine Möglichkeit, im Kontakt zu bleiben. 

Bis heute habe ich 187 Beiträge veröffentlicht und 80 Follower haben den Blog abonniert. Die Aufrufstatistik (Klicks) zeigt eine steigende Tendenz: zwischen 10 und 15 Aufrufe pro Tag im Durchschnitt. Über solche Klickzahlen werden Influenzer*innen nur müde lächeln. Ich bin für diese freundliche Aufmerksamkeit dankbar. Sie ermutigt mich, auch weiter Beiträge zu veröffentlichen. Hoffentlich bald wieder ohne <strong> in der Überschrift, und vielleicht in weniger kurzen Abständen und mit niedrigem Bullshit-Index.


Hast du speed bist du high

Bitte, liebe Gegner der Anglizismen in der deutschen Sprache, seht mir dieses dämliche Wortspiel nach! „Speed“ steht für die Droge Amphetamin, hilft also beim Highwerden. Es gibt aber auch ein Kartenspiel gleichen Namens. Oder einen Schokoriegel von Aldi. Aber eigentlich denken die Leute bei Speed mehr an das Internet. Das Highspeed-Internet scheint als menschliches Grundbedürfnis, also gewissermaßen als basic human need, unumstritten. Ein Leben ohne Highspeed-Internet ist für viele Menschen urbaner Gesellschaften schlicht undenkbar. Selbst in den bolivianischen Anden fordern Quechua-Indios – sorry: ich meine natürlich Indigene – mindestens 100 MB Übertragungsgeschwindigkeit, um den Preis ihrer Kartoffeln auf dem Internationen Kartoffelmarkt richtig einordnen zu können.

Es gibt aber auch Menschen, denen ist HSI (High-Speed-Internet) nicht so wichtig, ja sogar zuwider, weil sie der Gruppe der HSP angehören (Highly Sensitive Persons). Denen machen die ganzen Strahlen schwer zu schaffen. Zwar ist wissenschaftlich festgestellt, dass von den Schallwellen, die von Windparks ausgehen, keine Gesundheitsgefährdung ausgeht, aber die Wissenschaftler, die das untersucht haben, waren halt auch nicht hochsensibel. Aber was haben eigentlich Windräder mit dem Internet zu tun? Nix, oder?

Hm, jetzt haben wir irgendwie den roten Faden in diesem Beitrag verloren. Ach so, ja, Highspeed Internet war das Thema. Das braucht man zum Beispiel, um Radio, Filme und Spiele aus dem Internet zu übertragen. Das nennt man dann Streaming. Und wenn man keine schnelle Internetverbindung hat, dann ruckelt es. Man merkt das, wenn das Bild plötzlich stehen bleibt. In meiner Kindheit und Jugend gab es noch kein Internet. Aber in dem Kino, in das wir sonntags gingen, um Western anzuschauen (Eintritt 50 Pfennig), riss manchmal der Film. Eigentlich fast immer mindestens einmal. Dann johlte die ganze Bude, bis der Vorführer den Film wieder zusammengeklebt hatte und Winnetou weiterreiten konnte. Heute würde das ja auch nicht mehr gehen allein schon wegen der kulturellen Aneignung.

Wo waren wir stehengeblieben? Egal. Hauptsache wieder irgendwas dahergeschwurbelt.    


Wale, Wokeness und das Fischsterben in der Oder

Heute mal wieder ein Beitrag für die Tierfreunde unter meiner treuen Leser*innenschaft. Wenn der Hund nicht mehr frisst, ist er krank oder er trauert um einen Verlust. Neulich hatte sich mal wieder ein Wal in die Seine verirrt. Das gesellige Tier verhungerte. Man vermutet als Ursache Einsamkeit. In einem japanischen Aquarium, so wurde dieser Tage gemeldet, sind Pinguine und Otter in einen Hungerstreik getreten, weil man ihnen Makrelen statt der bevorzugten Stöcker zum Fressen anbot. Makrelen – ja geht´s noch! Das wiederum erinnert an das Lied vom Hering und der Makrele, die „ein Herz und eine Seele“ waren. Was lernen wir daraus? Nicht nur Menschen, auch Tiere, egal ob Hund, Wal, Pinguin oder Makrele, können hochsensibel sein und verdienen unsere Wokeness.

Blöd ist jetzt, dass dieser Beitrag veröffentlicht wird, während in der Oder massenweise die Fische sterben. Das wird man als höchst unsensibel auslegen. Zumal das Fischsterben in der Oder zu ernsten Spannungen zwischen Polen und Deutschland führt. Der Jahrestag des Überfalls Nazi-Deutschlands auf Polen am 1. September 1939 steht kurz bevor. Da sollte man von diesem Thema doch lieber die Finger lassen. Kann nur Ärger geben.

Mist: Wieder mal zu schnell auf „Veröffentlichen“ gedrückt.


Legal, illegal, scheißegal: Cum-Ex, die deutsche Justiz und der gesunde Menschenverstand

Erinnern wir uns: Über mehrere Jahre wurde der deutsche Fiskus durch Cum-Ex-Geschäfte um 36 Mrd. Euro geprellt. Das ist viel Geld. Geld, das gut für Schulen, Kitas, bessere Bezahlung von Pflegekräften und so´n „Gedöns“ (Gerhard Schröder) gebraucht worden wäre. Mehr als 1000 Beschuldigte, gegen die die Staatsanwaltschaft inzwischen ermittelt, haben sich Kapitalertragssteuer erstatten lassen, die sie gar nicht gezahlt hatten. Das war legal, sagen sie. Darauf muss man auch erst mal kommen. Erst im Juli 2021 hat die deutsche Justiz festgestellt, dass die Cum-Ex-Aktiengeschäfte Steuerhinterziehung sind und somit strafbar. Reichlich spät. Denn schon 2002 waren dem Finanzministerium die Cum-Ex-Geschäfte bekannt; aber erst zehn Jahre später haben die Behörden das Steuerschlupfloch geschlossen.

Geholfen haben bei dem Steuerbetrug seriöse Banken, wie z.B. die Warburg-Bank in Hamburg, die „anspruchsvolle Privatkunden“ betreut und gern „Lösungen für die Strukturierung, den Erhalt und den Ausbau Ihres Vermögens“ bietet. Die Bank hat, wer hätte das gedacht, Haltungen und Werte und schmückt sich auf ihrer Website mit einem Gedanken von Dietrich Bonhoeffer: „Die Ehrfurcht vor der Vergangenheit und die Verantwortung gegenüber der Zukunft geben fürs Leben die richtige Haltung.“ Konkret sieht diese richtige Haltung dann so aus, dass die Bank für ihre Kundschaft Cum-Ex-Geschäfte tätigte und sich 169 Millionen Euro Steuern vom Hamburger Finanzamt erstatten ließ, die sie nie bezahlt hatte.

2016 erhob das Hamburger Finanzamt eine erste Rückforderung in Höhe von 47 Mio. Euro. Daraufhin suchte der Chef der Bank mit dem putzigen Namen Olearius („pecunia non olearit“ oder so ähnlich) Trost und Beistand bei Olaf Scholz, damals Erster Bürgermeister von Hamburg. Scholz konnte sich zunächst aber beim besten Willen nicht daran erinnern, überhaupt mit Olearius gesprochen zu haben. Als dann aus dessen Tagebuch hervorging, dass es sogar drei Gespräche zwischen Scholz und Olearius gegeben hatte, eines davon am 26. Oktober 2016, musste Scholz seine Erinnerungslücken korrigieren. An den Inhalt des Gesprächs kann sich Scholz bis heute leider nicht erinnern. Es liegt allerdings nahe, dass es um die Bundesligaergebnisse des HSV ging. Und dass Olearius zu den Großspendern der Hamburger SPD gehört, hat natürlich auch nichts mit der lästigen Steuergeschichte zu tun.

Man darf getrost annehmen, dass im Hintergrund bei den zuständigen Behörden heftig gemauschelt wurde, um die Steuerrückforderung zu verhindern. Kurz nach dem intimen Date von Olearius bei Scholz wurde nämlich die Steuerrückforderung fallengelassen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Offenbar hatte jemand bei der Finanzbehörde die geniale Idee, man könne die Steuerforderung doch einfach verjähren lassen. Das belegt ein Chatverkehr der zuständigen Finanzbeamtin Daniela P. mit einer Vertrauten, in dem sie von einem „teuflischen Plan“ sprach.

Die brisante Frage, mit der sich sowohl die Justiz als auch der Hamburger Untersuchungsausschuss diese Woche beschäftigt, lautet: Hat es eine politische Einflussnahme auf die Finanzbehörde gegeben, auf die Steuerrückforderung zu verzichten? Politisch verantwortlich waren zu dieser Zeit Olaf Scholz als Bürgermeister und sein Finanzdezernent Peter Tschentscher.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat nun ein Strafverfahren gegen Scholz und Tschentscher abgelehnt. Es gebe, so die Staatsanwaltschaft, keine „zureichenden tatsächlichen Anzeichen für den Verdacht, eine mutmaßliche Steuerhinterziehung der Warburg-Bank sei von Verantwortlichen der Hamburger Finanzverwaltung wissentlich oder willentlich gefördert worden“. Bemerkenswert an dieser Formulierung ist nicht nur der Persilschein für Scholz und Tschentscher, sondern dass die Staatsanwaltschaft von einer „mutmaßlichen (!!) Steuerhinterziehung“ spricht. Liebe Hamburger Staatsanwaltschaft: Ja, leck´s mi doch am Arsch (Hinweis: Im vorliegenden Fall ist der Straftatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB nicht erfüllt; siehe Amtsgericht Ehingen vom 24. Juni 2009).

Damit wären wir wieder am Anfang der Affäre angelangt. Eine Steuerhinterziehung, die nur eine mutmaßliche ist, könnte ja irgendwie auch legal sein, oder?


Scholz und der Cum-Ex-Skandal: Gut zuhören und nix mehr lugen!

Olaf Scholz muss diese Woche schon wieder vor den Cum-Ex-Untersuchungsausschuss. Neues wird man da von ihm wohl nicht zu hören kriegen. Der gebürtige Kongolese Serge Menga Nsibu, Sympathisant der AfD und Betreiber eines Youtube-Kanals, erklärt uns seine Sicht des Cum-Ex-Skandals und dass „Deutschland groß Problem. Nämlich Alzheimer. Du vergessen wo Auto geparkt und Scholz hat Lucken im Kopf wegen Cum-Ex-Skandal“. Er fordert Scholz auf, „gut zuhören und nix mehr lugen!“ Hier seine durchaus originelle Ansprache:


Hinrichtungen mit Drohnen: Bundesregierung und Grüne schweigen

Heute habe ich an Außenministerin Annalena Baerbock einen Brief geschrieben. Es geht um Politik, deshalb kann ich das hier öffentlich machen.

Wittnau, 13. August 2022

Liebe Annalena,

als Mitglied der Grünen darf ich „Du“ sagen. Kann aber sein, dass ich bald wieder „Sie“ sagen muss, weil ich vermutlich die Partei verlassen werde. Der Grund ist schnell erklärt: Bis vor kurzem waren wir uns noch einig, dass Hinrichtungen mit Drohnen völkerrechtswidrig sind und dass deshalb solche Hinrichtungen nicht von deutschen Boden ausgehen dürfen. Das haben die Grünen in der Opposition immer wieder klar und deutlich vertreten. Es widerspricht jedem Rechtsverständnis, Menschen ohne Gerichtsverfahren und nur auf Verdacht hin zu töten und dabei in Kauf zu nehmen, dass Zivilpersonen, die sich in der Nähe des mutmaßlichen (!) Terroristen aufhalten, ebenfalls getötet werden. Kollateralschäden heißt das dann.

Nun hat die Tagesschau am 11. August berichtet („Hinrichtungen aus der Luft – Deutschland und der US-Drohnenkrieg“, in der ARD-Mediathek abrufbar), dass sich offenbar bei den Grünen die Meinung dazu geändert hat. Um die Amerikaner gerade jetzt im Zuge des Ukrainekrieges nicht zu verärgern, verzichtet die Bundesregierung und das von Dir geführte Auswärtige Amt darauf, Aufklärung über die gezielten Tötungen und die dabei zu Tode kommenden unbeteiligten Zivilisten zu verlangen. Dabei hat das US-Militär bereits mehrfach eingestehen müssen, dass statt mutmaßlicher Terroristen unschuldige Menschen bei Drohnenangriffen getötet wurden. Die Bundesregierung versteckt sich hinter der Aussage der US-Militärs, man halte sich an bundesdeutsches Recht. Eine Überprüfung findet nicht statt; Auskünfte über Drohnenangriffe werden von den Amerikaner grundsätzlich verweigert.

Wichtige Schaltzentrale für die Drohnenangriffe ist der US-Militärstützpunkt Ramstein in der Pfalz. Dort hat auch das Africa Commando seinen Sitz, von wo aus Drohnenangriffe in Afrika koordiniert werden (*Korrektur: Das Africom sitzt in Stuttgart, nicht in Ramstein!). Das alles geschieht also mit Wissen und stillschweigender Duldung der Bundesregierung. Jürgen Trittin hat, damals noch in der Opposition, die Bundesregierung bezichtigt, mitverantwortlich für die illegalen Tötungen zu sein. Liebe Annalena: Gilt das jetzt nicht mehr?

Über die „nukleare Teilhabe“ (ein wahrlich widerlicher Euphemismus) muss ich mich mit Deiner Kabinettskollegin Christine Lambrecht streiten. Auch hierzu finde ich die Haltung der Bundesregierung schwer erträglich. Wir Deutschen haben zwar keine eigenen Atomwaffen (hurra!), aber wenn die Amerikaner ihre Bomben, die auf dem Stützpunkt Büchel lagern (was die Bundesregierung offiziell nicht zugibt), ins Ziel bringen wollen, brauchen sie dafür deutsche Piloten und Trägerflugzeuge. Die Befehle und die Ziele kommen von den Amerikanern. Unser Beitrag zur „nuklearen Teilhabe“ wäre also, das Transportmittel zu stellen, während Ziel und militärischer Zweck für den Einsatz der Vernichtungsmittel von den Amerikanern definiert werden. Soll das wirklich unsere Position sein?

Liebe Annalena, ich will Dich nicht erpressen. Aber wenn ich bei den Grünen bleiben soll und dieser Partei weiterhin meine Stimme geben soll, brauche ich eine klare Ansage.

Mit (gerade noch solidarischen) Grüßen

Jürgen


Gratismentalität: Kann einer dem Lindner mal den Stecker ziehen?

Der Lindner Christian, Porschefahrer und Chef der DFP (Dienstwagenfahrerpartei) hat eine Fortsetzung des 9-Euro-Tickets als „Gratismentalität à la bedingungsloses Grundeinkommen“ abgelehnt. Der Mann ist Finanzminister und Inhaber einer Gratis-Bahncard 100. Außerdem ist er gegen jede Umverteilung von oben nach unten. „Reichtum muss sich wieder lohnen“ – hat er zwar so nicht gesagt, aber gemeint. Deshalb ist er gegen eine Übergewinnsteuer, gegen eine Anhebung der Hartz-4-Sätze und für mehr Steuerentlastung der Besserverdienenden.

Wir wollen hier dem Lindner Christian seine Luxushochzeit auf Sylt nicht madig machen. Das ist seine Privatsache. Wir nehmen mal an, dass der Finanzminister nicht schlecht verdient, aber er lässt sich für umme kirchlich trauen, obwohl er und seine Angetraute aus der Kirche ausgetreten sind und keine Kirchensteuer zahlen. Das hat mit Gratismentalität natürlich gar nix zu tun. Und als Prediger bei der Trauung holt er sich den Welterklärer Sloterdijk, Kritiker des Sozialstaats und Gegner der Umverteilung von reich auf arm. Ja, warum denn nicht? Hätte er etwa den Kubicki Wolfgang nehmen sollen, der so lange duscht, wie er will?

Passt schon.


6. August: Hiroshima und Nagasaki nicht vergessen

Mit dem Ukrainekrieg ist die Gefahr eines Atomkrieges wieder gewachsen. Der Stuttgarter Friedenstreff veranstaltet aus Anlass des Atombombenabwurfs auf Hiroshima und Nagasaki heute (Samstag, 6. August, 13 – 15 Uhr) eine Kundgebung auf dem Stuttgarter Rotebühlplatz und hat dazu ein Flugblatt veröffentlicht, das sich mit der globalen Rolle des Stuttgarter EUCOM und konkret mit der Rolle seines Einsatzstabes ECCU für die Koordinierung der westlichen Militärunterstützung aller Art an die ukrainische Regierung befasst.

Die Autoren des Flugblatts schreiben: „U.a. sind wir auch darauf gestoßen, dass nach offiziellen US-Quellen sich  der damalige US-EUCOM-Commander (und zugleich NATO-Oberbefehlshaber) General Tod Wolters bereits im Februar 2020 mit seinem Stab in Kiew mit der ukrainischen Militärführung getroffen hat, im Interesse einer „bilaterale US-ukrainische Partnerschaft“, und zwar gerade zur Verbesserung der „interoperability with NATO“ (mit dem nicht-NATO Land!), und einer „strategischen Kooperation“, u.a auch im Schwarzen Meer. Laut dem offiziellen Communique von 2020 rüsten die USA schon seit 1993 (also lange vor Putin, und zu einer Zeit, als dies bei den westeuropäischen NATO-Ländern noch Tabu war) die Ukraine in diesem Sinne auf.       
 …Bemerkenswert ist, dass sich General Wolters u.a. ausdrücklich auch als fan des Konzepts eines „flexible nuclear strike“, geoutet hat. Dies ergibt sich aus seiner Anhörung vor dem US-Senat ebenfalls im Februar 2020:  
    https://www.youtube.com/watch?v=KUMqQFZNvcY

Dieses Kozept beinhaltet gerade auch die Option eines US-Nuklearerstschlags von Europa/Deutschland aus (und wenn möglich eines auf dort zu begrenzenden) – so ausdrücklich bspw. auch der jüngste Bericht bei Maischberger des früheren SPD-Bundesministers Klaus von Dohnanyi zu den Erfahrungen aus seiner Regierungszeit. Dann gerade auch für Stuttgart: gute Nacht…“


Warum verzichten kein Verzicht sein muss

Dieser Blogbeitrag ist ein Plädoyer für den Verzicht. Dass darüber schon längst alles gesagt ist und Tausende vor mir dazu aufgerufen haben, ist kein Grund, darauf zu verzichten. Einige Gedanken zu dem Thema habe ich schon länger aufgeschrieben. Nun hat Bernd Ulrich diese Woche im Zeitmagazin (Nr. 31/2022 vom 27. Juli 2022) unter dem Titel „Verschärfte Welt“ ein Essay veröffentlicht und „über die schwierige Frage, wer man sein will in der ökologischen Krise“ geschrieben. Ulrich hätte als Überschrift auch wählen können „Über die Einsamkeit des Veganers“.  Ich kann die Lektüre sehr empfehlen. Man muss sich schon zwanzig Minuten Zeit dafür nehmen. Ich bin kein Veganer, aber mich hat der Artikel sehr nachdenklich gemacht und dazu angeregt, meine eigenen Überlegungen in einem Blogbeitrag zur Diskussion zu stellen. Man möge mir nachsehen, dass ich das nicht so brillant formulieren kann wie der Journalist Bernd Ulrich (er ist immerhin stellvertretender Chefredakteur der Zeit). Für Kommentare bin ich wie immer dankbar.

Viel ist in diesen Tagen vom Verzicht die Rede, freiwillig oder auch von oben verordnet. Die aktuelle krisenhafte Zuspitzung durch Inflation, Ukrainekrieg, Corona und Klimakrise zwingt uns – Gesellschaft, Politik und jede/n Einzelne/n -, darüber nachzudenken, wie wir mit der drohenden oder schon manifesten Verknappung von Gütern umgehen sollen, die bisher unseren (aufwendigen) Lebensstandard ermöglicht haben. Dabei ist die Verzichtsdebatte überhaupt nicht neu. Die wohl älteste und bekannteste Form des Verzichts ist das Fasten, also der zeitweise Verzicht auf Nahrung, als religiöses Ritual, als Therapie (Heilfasten), Diät oder politische Manifestation (Hungerstreik). Daneben verzichten Menschen aus unterschiedlichen Gründen auf den Konsum von Fleisch, aufs Autofahren, auf Genussmittel, auf Energieverschwendung, auf Flugreisen, auf einen vollen Kleiderschrank, auf einen ressourcenaufwendigen Lebensstil. Die Option zu verzichten setzt allerdings voraus, dass man materiell überhaupt in der Lage ist, sich all diese Dinge leisten zu können.

Der online-Duden erklärt uns die Bedeutung des Verbs „verzichten“ so: „den Anspruch auf etwas nicht [länger] geltend machen, aufgeben; auf [der Verwirklichung, Erfüllung von] etwas nicht länger bestehen.“ Was an dieser Definition irritiert: Es wird ein „Anspruch“ auf etwas vorausgesetzt, der durch den Verzicht aufgegeben wird. Habe ich einen Anspruch auf zwei oder drei Urlaubsreisen im Jahr, auf 60 Quadratmeter Wohnraum, auf unbeschränkten Zugang zu einem vielfältigen kulturellen Angebot, auf einen Parkplatz im öffentliche Verkehrsraum, auf kostenlose Kinderbetreuung, auf 180 km/h auf der Autobahn – um nur einige wenige als selbstverständlich erachtete Ansprüche zu nennen? Und wo bitte soll die Instanz sein, gegenüber der ich auf die „Verwirklichung oder Erfüllung“ meiner Wünsche und Bedürfnisse bestehen soll? Wobei wir annehmen dürfen, dass die Verfasser der Dudendefinition nicht an lebensnotwendige Bedürfnisse oder grundlegende Menschenrechte gedacht haben.

Die Kriegs- und Nachkriegsgeneration, die noch harte existentielle Not, Hunger und andere Entbehrungen erlebte, stirbt langsam aus. Meine eigenen unscharfen Kindheitserinnerungen (Geburtsjahrgang 1948) an ärmliche Lebensverhältnisse pflege ich im Freundeskreis, wenn die Rede auf Wohlstandsentwicklung und Überflussgesellschaft kommt, flapsig-verharmlosend mit dem Hinweis zu erwähnen: „Wir haben noch Klimmzüge am Brotkasten gemacht“. Ich habe als Kind und Jugendlicher keine einzige Urlaubsreise mit meinen Eltern gemacht. Das war einfach nicht drin. Als Entbehrung habe ich das damals nicht empfunden. Mit sechszehn bin ich mit Freunden nach Südtirol getrampt – das war die erste spannende Urlaubsreise.

Auch wenn es nach platter Stammtischparole klingt: Vieles von dem, was unseren heutigen Lebensstandard ausmacht, ist, auch wenn es uns nicht ständig bewusst ist, keineswegs selbstverständlich. Dass warmes Wasser aus der Leitung kommt, wenn wir es brauchen, dass wir im Winter nicht frieren müssen, dass ständig genug Strom da ist, dass wir ein breites Angebot an Lebensmitteln im Supermarkt vorfinden, dass wir zu jederzeit an fast jedem Ort dieser Welt Urlaub machen können (wenn die private Finanzlage es erlaubt), dass wir nahezu unbeschränkt mobil sein können, dass wir ein gut ausgebautes Bildungssystem haben, dass wir im Krankheitsfall auf beste medizinische Versorgung vertrauen dürfen – alles Selbstverständlichkeiten? Diese Beschreibung trifft allerdings nicht oder nur sehr eingeschränkt für arme Länder zu, und selbst manche Länder mit hoher Wirtschaftskraft garantieren ihren Bürgerinnen und Bürgern keineswegs eine umfassende und gleichberechtigte Gesundheitsversorgung (USA!). Und natürlich will diese positive Beschreibung nicht leugnen, dass es auch etliche Mängel und Defizite unserer Wirtschafts- und Lebensform zu beklagen gibt.

Die beschriebenen Dienst- und Versorgungsleistungen, das umfassende Warenangebot, die Wahlfreiheiten, die Bildungsmöglichkeiten usw. sind Ausdruck eines hochentwickelten Sozialstaates und eines Wohlstandsniveaus, das den meisten Menschen eine hohe Lebensqualität erlaubt. Was wir aber auch längst wissen: Die Kehrseite der Medaille, der Preis für die auf Wachstum ausgerichtete Wirtschaftsweise und die ressourcenintensive Lebensform ist die ökologische Verwüstung unseres Globus und die langfristige Zerstörung unserer Lebensgrundlagen. Darum ist die Frage „Warum verzichten?“ mehr als bloß ein Thema individueller Selbstverwirklichung oder bewusst gewählter asketischer Genügsamkeit, sondern von existentieller Bedeutung für zukünftige Generationen. Die Bewegung „Fridays for Future“ hat das mit ihrem Slogan „weil Ihr uns die Zukunft klaut“ auf den Punkt gebracht. Auch das Bundesverfassungsgericht hat der Bundesregierung bescheinigt, mit ihrer zögerlichen und unzureichenden Klimapolitik die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen zu gefährden.

Nun scheint es allerdings so, dass die Erkenntnisse der Wissenschaft über die Grenzen des Wachstums und über die schädlichen Auswirkungen unserer Wirtschafts- und Lebensweise auf das ökologische globale Gesamtgefüge nicht, wie es vernünftig wäre, persönliche Verhaltensänderungen zur Folge haben. Eine beliebte Entschuldigung lautet: Es ändert doch nichts, wenn ich kein Fleisch mehr esse, mein Auto verkaufe, nicht mehr in Urlaub fliege, während alle anderen (gerne werden hier die Amerikaner und die Chinesen genannt) es nicht ebenso machen! Will sagen: Mein eigener Beitrag zum Klimaschutz, selbst wenn ich ihn ernsthaft und konsequent lebe, bringt sowieso nichts.

Dem würde ich (zusammen mit vielen anderen) entgegenhalten: Selbst wenn du meinst, dass dein individueller Verzicht regional und erst recht global nichts bewirkt, dann tue dir einfach selbst etwas Gutes! Verzichten ist eben auch gesund, macht ein gutes moralisches Gefühl, bringt mehr Lebensqualität als man denkt! Der anfangs erwähnte Bernd Ulrich etwa berichtet, dass er seinen Verzicht auf tierische Produkte als beglückend erlebt hat. Wer sich jemals das Rauchen abgewöhnt hat, kennt dieses Gefühl. Bei Dingen, die uns selbst beschädigen, die krank machen (rauchen) oder dick (Fastfood), die süchtig machen (Alkohol, Zigaretten, Computerspiele) oder dumm (Ballermann, Trashfernsehen,), die unsere Beziehungen zerstören (Lieblosigkeit, Hass, Gewalt) gibt es ausreichend gute Gründe, darauf zu verzichten. Wenn es denn so leicht wäre und wenn da nicht die eigene Trägheit, die Sucht, die Unvernunft, die Ignoranz, die Lust am Untergang und an der Selbstzerstörung uns immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen würden. Wer es trotzdem schafft, auf schlechte Essensgewohnheiten zu verzichten, auf das neue Smartphone, auf unnötige Plastikverpackungen, auf eine gesundheitsschädliche Sucht, auf überflüssige Autofahrten, wird mit dem Glücksgefühl belohnt, dass weniger eben mehr ist.

Mancher Verzicht geht nicht von heute auf morgen: Statt zwei nur noch ein Auto oder besser gar keins mehr verlangt eine gravierende Änderung von Lebensgewohnheiten. Spart aber im Übrigen einen Haufen Geld, womit wir wieder beim Glücksgefühl wären. Von einer zu großen in eine kleinere Wohnung zu wechseln ist angesichts des angespannten Wohnungsmarktes nicht mal eben so zu bewerkstelligen. Immer mehr Menschen suchen nach gemeinschaftlichen Wohnprojekten, vor allem im Alter, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Wer sich umschaut und offen ist für Änderungen, wird viele Modelle und Projekte finden, die ihm oder ihr den Verzicht erleichtern: Carsharing, Tauschringe, die Bohrmaschine oder die Heckenschere mit den Nachbarn teilen, usw.

Wer also den Verzicht ganz eigennützig für sich selbst als Bereicherung und Beglückung entdeckt, tut gleichzeitig der Gesellschaft und dem Klima einen Gefallen und entscheidet sich gegen „das Niederbrennen unserer Welt“ (Ulrich). Man würde sich wünschen, dass auch die Politik uns allen beherzter und mutiger mehr Verzicht abverlangt, wie es Bernd Ulrich im folgenden Zitat fordert: „Nehmen wir das Wort Verzicht: Jahrzehntelang – und ganz gewiss noch im Koalitionsvertrag der Ampel – war Verzicht der Gottseibeiuns aller ökologischen Politik; wer dabei erwischt wurde, den Menschen Verzicht abzuverlangen, wurde mit Wahlniederlage nicht unter fünf Prozentpunkten minus bestraft. Alle Veränderung – und davon musste es ja immer mehr geben, weil zu lange gewartet worden war – sollte ausschließlich in den Maschinen stattfinden oder in der Infrastruktur, aber gefälligst nicht im Alltag der Menschen. Was bestenfalls als legitim galt, das war so ein pädagogisches Ansäuseln der Verbraucherinnen und Verbraucher mittels Lebensmittelampeln, mit Schmackhaftmachen, mit Gewinnspielen, mit Prämien, kurzum: niederschwellige Angebote gegen das Niederbrennen unserer Welt.“